Nichts mehr tun

"Manchmal kann man nicht mehr tun als abwarten" sagte sie. "Wenn es ihm schlechter geht werde ich ihn nach Hause holen und pflegen."

Damals sah ich sie mit großen Augen an. Ihre Sachlichkeit erschreckte mich bin ins Knochenmark. "Und die Mädels?"

Sie wusste was ich zwar auch wusste, aber hoffnungslos optimistisch wie ich bin, habe ich nicht abgewartet, sondern versucht zu helfen.

Urplötzlich war Maman nicht mehr da. "Du unterschätzt die Folgen einer Dialyse." sagte sie. Wir saßen am großen Kirschholztisch im Wohnzimmer. Ihre Augen wurden im Alter immer schöner. Die Strapazen ihrer Krankheit waren schon so offensichtlich, doch ihre Augen waren wunderschön und voll Liebe. Warme Schokolade Augen. Urplötzlich war sie nicht mehr da.

Nach der Beerdigung auf der Nachhausefahrt sagte ich zu Fabian: "Wenn es dir nicht gut geht, ich werde für dich da sein."

Er sah aus dem Fenster und tat so als hätte er mich nicht gehört. Er taumelte aus dem Auto und ging ins Haus. 

Und als ich immer noch optimistisch es schon als Wunder sah, als es ihm etwas besser ging, er wieder arbeiten konnte, sich liebevoll um die Mädels bemühte, sich erneut verliebte.....ob er liebte ließ er ungesagt....

Heute vermisse ich ihn. Ich zündete eine Kerze an, kaufte ein schneeweisses Blumengesteck. Mehr kann ich nicht tun.

Die Mädels erinnern sich mit einem Lächeln an ihren "Papa". Ob sie ihn noch sehr vermissen würden, fragte ich sie "Manchmal sehr, manchmal nur etwas."

Der Alltag ist wie ein Löschpapier das noch einige Spuren übrig lässt.

Das kleine und große Vermissen.

Manchmal vermisse ich Maman, den Blick aus dem Fenster auf den "alten Garten". Ich vermisse Fabians gewöhnungsbedürftigen egozentrischen Humor, sein Herumalbern, seine Süssigkeitenverstecke die ich immer schnell entdeckte aber ihn nie verpetzte. Wir Kinder hielten zusammen. Der Zsammenhalt in unserer Familie ist immer noch riesig.

Als Kinder fuhren wir mit dem Schulbus zur Schule und zurück. Auf dem Nachhauseweg beobachtete ich die vorbeiziehenden Häuser.

Fabian flehte Maman an einen weißen Magnolienbaum zu pflanzen. Wir fuhren dann mit Maman zur Baumschule und sie kaufte zwei davon. Die Fahrt war sehr lange und wir Kinder saßen artig hinten auf der Rückbank und lauschten Maman wie sie vor sich hin sang.

Manchmal sollte man mehr tun als man glaubt tun zu können.....denke ich.





When is a door not a door?

Während ich den letzten Teil der Monatsabrechnung an unseren Steuerberater sendete und die ganze Abrechnung für die jeweiligen Ordner ausdruckte, fiel mir eines Satz aus einem Buch ein, das ich als Kind zum Englischunterricht brauchte. "Die Reise in der Walnussschale" von Anrdré Richard in Versform geschrieben. Es handelte von den Geschwistern Arthur und Elsie, die auf dem Wasser ihres Waschzubers Walnussschalen wie Boote umherfahren ließen. Auf einmal waren sie selbst Passagiere in einer Walnussschalenhälfte und gerieten auf hoher See in einen Sturm. So ging die Reise weiter, und sie bereisten mit ihrer Walnussschale die ganze Welt. 
Auf der letzten Seite steht Arthur vor einer Sphinx in der Wüste, auf der ein Rätsel geschrieben steht: „When is a door not a door?“ - „Wann ist eine Tür keine Tür?“ Dieses Rätsel hatte ich als Kind zu lösen versucht, aber da ich damals wie heute, in Englisch Fehler in der Aussprache und Grammatik mache, habe ich es so übersetzt: 
„When it is a jar“. Wenn es ein Krug oder ein Glas ist. Das ergab keinen Sinn und ich zerbrach mir für weitere Tage den Kopf. Heute nahm ich mein Handy und schrieb das Rätsel in eine Suchmaschine. Ich war überrascht, denn es gab noch eine andere Antwortmöglichkeit, die mehr Sinn ergab: „When it is ajar.“ - „Wenn sie angelehnt ist.“ Ich war damals wie ich es heute noch bin, - eine Englischidiotin und fühlte mich zugleich wie ein Philosophin , die feststellt, dass sie nichts weiß, und eine Rationalistin,  für die alles das keinen Sinn ergibt. Englisch ist komplizierte Sprache wie alle Sprachen hat sie ihre versteckten Wortspiele, ihre Januswörter, auf die man achten sollte. 
Eine angelehnte Tür ist trotzdem eine Tür, finde ich. Sie ist nur für besondere Menschen angelehnt, für alle anderen ist sie tabu.

Zwischen Tür und Angel stand ich auch schon. Sei es bei Maman, oder aber bei Omi. Beide hatten ihre Prinzipien. Ich aber auch. Und ab und zu stand ich in einem Dazwischen. Ich gebe ungern nach, auch dann nicht, wenn es zu meinem Nachteil ist.

Als ich mit Adrian ernst wurde, sagte Maman: "mag sein, dass er gut aussieht, aber das ist schon alles. Überlege es dir gut ob du mit einem Aletebreibübchen auf Dauer zusammenleben willst."
Omi schrie: "Du wolltest doch nach dem Studium wieder nach Hause kommen! Verlass ihn so schnell du nur kannst, bevor er dir weh tut."
Beide waren wütend und enttäuscht. Ich aber auch. Niemand akzeptierte ihn. "Ich liebte ihn auf eine Art. Auf eine andere Art wünscht ich, er wäre nicht so ichbezogen und würde sich nicht als Nabel der Welt fühlen wollen. 
Ich fühlte mich lange Zeit in einem Dazwischen. Zwischen den Gefühlen, zwischen den Menschen. ich fühlte mich nirgendwo ganz mit Haut und Haar, mit Herz und Vernunft zu Hause.

Maman und Omi konnten mein "Heimkommen" nicht mehr erleben. Ich ging durch die angelehnte Tür. Für mich ist die angelehnte Tür eine Herztür. 
Als ich Lars kennenlernte, war er mein Vorgesetzter. Aber wir respektierten uns so sehr, dass wir lange Kollegen und gute Freunde blieben. Unsere Herztür blieb über zwei Jahre angelehnt bis er den ersten Schritt machte meine Herztür zu öffnen.

Es war als wartete mein Herz nur auf das richtige Lied. Es tanzte als der richtige Ton, die richtige Note traf und unser Lied komponierte jeden weiten Augenblick eine Note.

When is a door not a door?
Meine Herztür hingegen schließt sich irgendwie von allein und bleibt für immer geschlossen.