Er

Juli 2015

Ich lag die ganze Nacht schlaflos in meinem Bett. Mein erster Arbeitstag als Chirurgin. Ich war für den Frühdienst eingeteilt und er war mein Schichtdienstleiter. Anders als ich es kannte gab es hier keine festen Teams. Das machte mir etwas Angst, denn ein eingespieltes Team weiß, dass man sich aufeinander verlassen kann wenn es schwierig wird. Auf alles Neue, alles Unvorhersehbare, alles Unbekannte gehe ich mit einem zurückhaltenden, abwartenden und erwartendem Gefühl an.

Einen Tag zuvor meldete ich mich noch einmal telefonisch zum Dienstantritt an und man stellte mich sofort zum Schichtdienstleiter durch. Mein Handy rauschte und knackte und ich konnte ihn nicht verstehen. Ich entschuldigte mich, legte auf und rief über mein Festnetztelefon an. Ich entschuldigte mich noch einmal für die schlechte Verbindung. 

Er lachte in mein Ohr. Es war mir so peinlich, weil ich sein Lachen nicht einschätzen konnte. Lachte er aus Höflichkeit, oder lachte er mich aus, da ich mich so dusselig anstellte. Er las mir meinen Dienstplan für die ganze Woche vor und sagte mir, dass ich zur ersten OP eingeteilt bin, dass ich ihm assistieren werde und dass er sich auf mich freut. Nachdem wir und gegenseitig einen schönen Tag wünschten, fingen meine Gedanken an wie ein Karussel zu kreisen, mein Herz raste und jeder Herzschlag fühlte sich an als würde er meinen Brustkorb sprengen. "Ich brauche ein neues Handy  mit allem Schnick-Schnack und von einem Anbieter der keine Funklöcher fröhnt." dachte ich. 

Ich konnte mit niemandem über meine Gefühlsgewitterwolken reden. Seit ich wieder zurück ins Rheinland in mein Vaterhaus gezogen war, da ich in der Nähe meine neue Arbeitsstelle bekam, meldete sich meine Freundin Denise nur noch sporadisch bei mir. Außer "viel Glück, du rockst es schon" schrieb sie nichts. Ihr Partner schien sie zu kontrollieren. Sie war immer noch wütend auf mich, wieso ich weggezogen war und mir nicht in einem Krankenhaus in ihrer Nähe eine Stelle suchte. Ich wollte meinem Ex nicht mehr begegnen und hoffte er würde schneller der Scheidung einwilligen. Sie hatte ihre eigenen  noch heftigere Beziehungsprobleme als ich und hatte ihren Kopf und Herz nicht mehr frei für mich.

Als ich dann endlich doch einschlief und knapp zehn Minuten bevor der Handywecker klingelte unter die Dusche rannte.

Nur ganze 20 Minuten später stand ich vor ihm. Er sah mich lächelnd an und hielt meine Hand in seiner einen gefühlten Endlosaugenblick länger in seiner. Vor mir stand ein Mann der knapp geschätzte dreißig cm größer ich als ich selbst. Schlacksig, humorvoll und von ruhiger Natur.

"Das Atmen nicht vergessen, liebe Kollegin." riss er mich aus dem Gedanken. "Dienstbesprechung in zehn Minuten. Danach OP-Vorbereitung. Sie assistieren mir. Bis dann." dann ließ er mich stehen und rannte vor. 

Nach einen kurzen Vorstellungsrunde und nach der Schichtübergabe verabschiedeten sich die Kollegen vom Nachtdienst und er, das OP-Team und ich bereiteten uns für die Op vor. Ich sah auf die elektronische OP-Tafel und staunte. ich war als war als leitende Chirurgin eingetragen. ich sah ihn an und bevor ich sprechen konnte, sagte er: " ich will sehen was du drauf hast. Hier duzen wir uns. Was dagegen?

"Nein!" sagte ich leise und rannte hinter ihm her. 

Ich fühlte mich fast allein auf dem "OP-Feld." 

"Etwas lauter bitte!" erinnerte er mich."Du hast doch gefrühstückt, nehme ich an."

Ich führte das Team durch die OP  und war erleichtert, dass es keine Komplikationen gab.

"Gut gemacht!" Er legte seine schmale Hand auf meine Schulter und sah mich an. "Kaffee?" fragte er.

"Danke, nein. Ich trinke keinen Kaffee." 

"Dann leistest du mir Gesellschaft?" er rannte vor und hielt mir die Tür auf. Ich kannte solche Gesten von meiner Ausbildungsklinik nicht. Für Höflichkeiten hatte man nichts übrig. Ich fragte ob  hier es auch so stressig wäre. 

"Wir sind kein Fließband. Ich weiß aber was du meinst. Stress haben wir auch genug, da wir wie du siehst chronisch unterbesetzt sind."

Ich nickte und er sagte während wir auf dem Weg zur nächsten OP waren, die er leitete: "Wir gehen nach dem Dienst manchmal etwas "Chillen"  Um die Ecke ist ein Pub. Wenn du mitkommen möchtest."

"Oh, Pub! Ich trinke aber kein Alkohol."

"Trocken?"

"Nein!" ich lachte. "Wieso denkt man das immer, wenn jemand keinen Alkohol mag?" fragte ich etwas gereizt.

"Weil es selten jemanden gibt der gar keinen trinkt." stellte er fest.

"Trinkst du welchen?"

"Manchmal einen Wein, oder ein Bier."

"Pferdepisse." verplapperte ich mich.

"Bitte waaas?" Er lachte laut und ich musste einfach mitlachen. Er riss mich mit in den Lachstrudel.

"Wird dir gefallen. Samstags und Sonntags gibt es  meisten Irish Dance! Ich bin ein guter Lehrer, falls du einen brauchst. Wir waren heute ein gutes Team. Willkommen im Rheinland!"

"Merci, aber ich lebe hier mit meinem Bruder ihm Haus unseres Vaters."

"Dann willkommen hier bei uns.Was denkst du gerade?"

"Dass alle OP gut verlaufen sind."

Ich ging zu den Spinden, zog mich um und hörte:
"Kotzbrocken, heute hat er sich von seiner allerbesten Seite gezeigt. Sie scheint etwas naiv zu sein. Der wird ihr auch schnell die Hölle heiß machen, wenn er schlechte Laune hat, weil seine Kleine ihn wieder die ganze Zeit in Anspruch nimmt." hörte ich eine Kollegin über ihn herziehen.
Ich war viel zu müde darüber objektiv nachzudenken, wer mit "seine Kleine" gemeint sei und darüber dass man mich unterschätzt und dass ein Mensch der so ruhig, so gelassen, so humorvoll, sehr schlecht gelaunt sein könnte. Es war mir aufgefallen dass sehr viel getrascht wurde. Obwohl man sich untereinander kaum kannte, wurde sobald einer den Raum verlassen hat über ihn hergezogen. 

Aber das Wetter ist nicht immer nur heiter und dunkle Wolken bedeuten nicht immer Regen. Der erste Tag endete mit vielen Gedanken und mit einem unguten Gefühl.

Die ersten Monate vergingen. Die Arbeitstage waren mit viel Stress durchwachsen. Ich besuchte einige Male das Pub. Er stellte mich seinem Bruder und dessen Frau, seinen Freunden und ein paar Kolleginnen und Kollegen von den Partnerkliniken vor. 

Wir waren ein gutes Team im OP, im beruflichen Alltag konnten wir uns blind aufeinander verlassen.
Eines Tages brachte er seine schwer kranke Tochter vorbei und bat mich ob ich sie für ein paar Stunden übernehmen würde, damit er ein paar Termine wahrnehmen könnte.
Ich war gerührt und ängstlich zugleich für das Vertrauen das er mir entgegen brachte und für die schwere Aufgabe die er mir zutraute.
Als er sie ein paar Stunden später abholte und die Kleine laut protestierte, dass sie hier bleiben möchte, hatte er Tränen in den Augen.
"Kein Thema für mich, ab und zu kann ich auf sie aufpassen, wenn du Termine hast." murmelte ich.
Tag für Tag redete er immer mehr über sich. 
"Wie führt man denn eine Fernehe? fragte er, als ich mit ihm über mich redete.
"Ich führe sie nicht mehr. Anfangs dachte ich mit Liebe schafft man alles. Ich dachte er würde nachkommen, aber er suchte sich eine Kollegin aus mit er zwischendurch seine Freizeit verbringen wollte. Und als sie ihm den Laufpass gab, wollte er zu mir zurück. Ich habe mich nach dem Examen hier für eine Stelle beworben und am gleichen Tag als ich eine Stelle bekam, habe ich ihm die Scheidungsunterlagen zugesendet."
"Liebst du ihn noch?" fragte er leise.
"Liebe ist  für mich endlich. Es ist nur das was man daraus macht.  Ich weiß es nicht ob ich ihn genug geliebt habe, wie er geliebt werden wollte. Aber als er sich für eine Kollegin entschied, war meine Liebe zu ihm weg.  Wir haben überstürzt geheiratet. Er war liebevoll zu mir, etwas chaotisch, verspielt, wollte immer der Kern, der Nabel, der Mittelpunkt sein. Ich regte mich über seine Unordnung, Unselbstständigkeit auf. Er nahm mir viel Substanz. Ihm war es langweilig neben mir zu sitzen wenn ich für mein Facharzt lernte. Er wollte mit Freunden um die Häuser ziehen und mir war das viel zu laut, viel zu albern. 

Vielleicht  bin ich innerlich gar nicht bereit für eine Beziehung. Ich bin hin und her gerissen. Meine Familie möchte, dass ich nach Hause komme, mein Bruder braucht hier Hilfe." Ich erzählte ihm über die Krankkeit meines Bruders und über meine Ängste und dass er sich nicht von mir helfen lässt. Dass ich nicht mehr bereit bin ihm zu helfen. 
Er nickte. "Man lässt die Tür offen und das Licht brennen. Man bricht nicht so schnell. Das ist Liebe. Das ist Familie. "
"Ich schließe die Tür und schließe sie sogar ab, wenn mich nichts mehr tun kann."
"Solltest du aber nicht. Er ist dein Bruder. Egal wie viel ihr euch streitet. Man streitet sich nur mit denen die einem nahe stehen."

Als er nach dem Urlaub nicht mehr zurückkam, weil er sich um seine Tochter kümmerte deren Zustand sich schnell verschlechterte, trafen wir uns nur um uns gegenseitig auszuheulen. Wir waren fast zwei Jahre miteinander befreundet.

Mein beruflicher Alltag wurde noch stressiger. Unter dem neuen Schichtleiter, der ein Choleriker war und die Kollegen untereinander ausspielte, litt ich sehr. 
"Soll ich mit ihm reden? Ich kenne ihn gut." fragte er
"Nein, bitte nicht. Er wird mich noch mehr scheuchen." bat ich.
Er sprach trotzdem mit dem Schichtleiter und ich konnte aufatmen. Ich bekam immer mehr Verantwortung aufgetragen und durfte ihn auch im Urlaub vertreten.
Als eine neue Stelle in der neuen Klinik frei wurde, wurde sie mir zugeteilt.
Als er mir schrieb, dass seine Tochter verstorben sei, wollte er dass wir uns oft sehen.
Wir verbrachten viel Zeit miteinander. Ich erzählte ihm nicht, dass ich nur aus einer Wut heraus, weil mein Ex immer noch die Scheidung ablehnte, im Begriff war mein Leben als Fußnote einer Dummheit zu machen.
"Ich komme am 1. des Monats zurück. Ich habe bei dir eine Stelle bekommen. In einer anderen Schicht. Ich nehme dir den Posten nicht weg, keine Angst. Ich kann gut unter dir arbeiten."
Wir waren Freunde und ich hatte keine Angst. 
Als mein Zwillingsbruder starb, wurde ich zwei Wochen krank geschrieben. Danch nahm ich meinen ganzen Jahresurlaub um Dinge zu regeln. Er half mir bei den Formalitäten und wir gingen ab und zu aus. 
Ich mahm meinen Dienst wieder auf und versuchte mich Tag für Tag durch die Trauer zu kämpfen. 
Als wir uns nach dem Dienst im Café verabredeten fragte er mich. "Wie lange willst du es vermeiden über uns zu reden?"
"Worüber?"fragte ich erstaunt.
"Über uns," sagte er ernst.
"Was ist das nun mit uns. Gibt es denn ein Uns das mehr als nur auf Freundschaft basiert?" fragte ich erstaunt. Ich war verwirrt. Wir hatten nie über ein "uns"gesprochen. Wir hatten uns nicht einmal geküsst. Wir umarmten uns ab und zu. Seine Arme fühlten sich gut an und ich fühlte mich darin geborgen. 
"Ich kann nichts Neues beginnen." stammelte ich.
"Wir haben doch schon längst was Neues!" erklärte er.

"Ich bin noch ganz verwirrt. Ich weiß nicht einmal was nun mit seinen Kindern passiert. Meine Exschwägerin hat einen neuen Lebenspartner und erwartet in 5 Monaten ein Kind von ihm. Die Mädels klammern sich beide an mich, wie du siehst. Ich habe keine Ahnung wie mein Leben weiter geht."

"Schon klar."

"Schon klar? Eigentlich ist es keine Basis für eine Beziehung. Die Mädels wollen hier bleiben. Und nun stelle ich ihnen einen neuen Menschen in meinem Leben vor."

"Ich kenne die Mädels schon und sie scheinen mich zu mögen. Sie sprachen die ganze Zeit mit mir. Du bist sauer auf mich?!

"Nein! Nein! Es soll nur nicht sein. Ich muss los zum Dienst. Wir sehen uns. ich rufe dich an." "Versprochen!?"Ich lasse nicht locker bis du "Ja" sagst.

"Zu was?"

"Zu einem "Uns"."

"Aber ja."

"Was aber ja?"

"Ich sage Ja zu uns. Ich ruf dich an, sobald ich kann."





Wie das Leben so spielt

 Maman war eine wunderbare, aber auch übervorsichtige und übervorsorgliche Mutter. Kontrollfreaks waren Maman und mein Vater. Jeder auf seine eigenartige Art. Maman sorgte sich nicht nur um das äußerliche Erscheinungsbild wie saubere und adrette Kleidung und für sauberen Haushalt wie mein Vater. Sie sorgte sich für jeden einzelnen Furz der uns Kindern quer saß.

Wir Kinder waren immer herausgeputzt wenn wir ausgingen. Unsere Schuluniform sah immer wie neu gekauft aus. Die Waschmaschine lief immer. So viel Dreck produzierten wir gar nicht. 

Maman beachtete die Männer gar nicht, wenn sie sich nach ihr umdrehten. Sie hatte Papá und war glücklich. Den einzigen Streit den Pá und sie führten war, weil Maman darauf achtete, dass sein Hemd immer in der Waschmaschine verschwand bevor er es noch einmal anziehen konnte.

Ich nahm diese Gewohnheit an und machte meine Parter damit wahnsinnig. 

Vor Mamans Ordung habe ich bis heute großen Respekt, aber als Kind wollte ich manchmal auch dreckig sein, mal ungekämmt, mal wild.

Ich war lange Kind. Und als ich 16 Jahre alt war schleppte mich Maman zum Arzt, da ich immer noch nicht meine Periode hatte. Erst als ihr drei Kollegen versicherten, dass alle Werte optimal wären, war sie etwas beruhigt.

Eines Abends hatte ich heftige krampfartige Bauchschmerzen und ich konnte nicht einschlafen. Maman tastete mich ab und meinte der Blinddarm wäre es nicht. Die Schmerzen ließen nach und ich schlief ein. Als ich aufwachte um zur Schule zu gehen, klebte meine Pyjama an meinem Hintern. Ich dachte ich hätte ind Bett gekackt und dann sah ich das Ausmaß und ich fühlte mich hundeelend. Ich zog die Betwäsche ab, und stopfte sogar die Decke in die Waschmaschine. Ich überdosierte das Waschpulver und Pá kam dazu. Ihm war es sofort peinlich, entschuldigte sich ein pardon murmelnd und rannte hoch und rief nach Maman.

Wir setzten und auf den Boden im Waschkeller und Maman weinte und weinte so herzzereißend und ich weinte mit ihr und wusste nicht ob ich vor Bauschmerzen weinte oder vor Scham. Mit Salz bekam sie die Matratze sauber und ich konnte ein paar Tage niemanden ansehen. Es war mir peinlich, weil die Familie wusste was los war. 

Meine Brüder fragten was ich hätte, da ich zu Hause bleiben durfte. "Mädchensache! dafür darf sie faulenzen? Unfair!" rief Fabian und war sauer weil er nicht daheim bleiben durfte. Und er tratschte es sogar dem Klassenlehrer. Ich prügelte auf ihn ein bis Pá uns trennte.

Ein Mann zu Mann Gespräch und Fabian murmelte ein Pardon und verschwand in seinem Zimmer. René war vernüntig und mischte sich gar nicht ein. Fabián und er verstanden sich nie, René ging ihm immer aus dem Weg, damit er keinen Ärger mit Maman bekam, wenn er sich mit Fabian stritt. René hat sich aus der Familie immer etwas rausgehalten. Er verstand sich nur mit Pá gut.

Für Maman war ich das Kontrollobjekt. 

"Wer war der Junge? Mit wem triffst du dich? Der ist drei Jahre älter als du, ich will dass du dich von ihm fern hältst. Lass den sein, sein Vater säuft. Wer war das eben? Der ist nicht auf deiner Schule. Wieso hat der nur mit dir getanzt?" So ging es tagtäglich bis ich 18 wurde.

"Ich habe immer noch das sagen auch wenn du 18 bist. Wollte es nur gesagt haben."

Maman hatte immer eine Art Angst um mich. Sie hatte um meine Brüder auch bisschen Angst. Auf Fabian war sie wütend, aber als seine erste Tochter geboren wurde, war sie ganz vernarrt in sie. Als die zweite Tochter geboren wurde, ging seine Ehe in die Brüche. Maman nahm das Baby zu sich. Erst als sie körperlich immer schwächer und müder wurde, gab sie es wieder Fabian zurück. "Pass gut auf Noelle auf!" sagte sie mit flehendem Blick. 

Ich weiß nicht ob es das unbewusste Bewusste gibt, Psychologie ist eine harte Nuss für mich. Jeder Psychologe würde mich zum Teufel jagen, wegen meinen Ansichten. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass animalische Instinktive nicht gezähmt werden kann. Die wilde Natur des Menschen ist unzähmbar trotz Moral oder Knigge oder was auch immer.

Zumindest stand ich lange, sehr lange unter Schock als Maman ging. Ich war noch viel zu viel Kind im Herzen, auch wenn ich äußerlich erwachsen war  und gesetzlich als Erwachsene galt. Ich war äußerlich super konzentriert, ich war wachsam. Ich konnte im Lehrbuch sogar sie Seite sagen und Zeile wo ich was gelesen habe. Aber zu Hause, allein innnerhalb der vier Wänden, wo mir niemand zusah, war ich ein Kind. Ich ahnte dass Maman sich unbewusst verabschiedete. Ich fühlte es. Ich konnte diesem Gefühl keinen Namen geben, es nicht zuordnen.

Und danach rebellierte ich innerlich. Was ich aus ihrer Sicht nicht durfte tat ich. Ich hatte keine Erfahrung mit Männern und ich verliebte mich anfangs viel zu schnell in den einen oder anderen. Ich glaubte nicht an die Liebe auf den ersten Augenblick, aber ich tat so als wäre sie die tiefste und innigste und unendlichste Liebe für mich. Der Augenblick ist endlich und mit ihm auch die Liebe. 

Aber so schnell ich mich verliebte, entliebte ich mich auch. Ich hegte keine tiefen Gefühle. Für mich war Liebe wie eine Grippe. Drei Tage kommt sie, drei Tage bleibt sie und drei Tage geht sie. dann war ich wieder liebelos nicht lieblos. Von einigen Männern wurde ich geliebt. Ob von ersten Augenblick an oder etwas später, weiß ich nicht. Als ich ging ließ ich meinen und ihren Schmerz zurück.

Ich war wie ein wildes Tier das verletzte und verletzt wurde. Das abwechselnd. Ich fühlte mich nicht geliebt sondern kontrolliert. Ich kontrollierte zurück.

Damals wusste ich nicht das Liebe eine andere Kraft ist als Dominanz. 

Wenn ich mich bildlich im Meer vorstelle, sehe ich nicht einen schwimmenden, sondern einen an der Oberfläche zappelnden Menschen. Und dieser Mensch war ich.

Und als die Trauer sich legte, der Nebel verschwand saß ich da und wusste, dass ich schwimmen und sogar tauchen muss, um wieder Leben zu gewinnen, um wieder Boden unter den Füßen zu bekommen.









Fledermäuse in der Küche

Wir saßen noch lange auf der Terasse. Kakao, Mineralwasser,  selbstgemachter Holundersaft von Tante und Kerzen. Lars schloss das Küchenfenster und die Terassentür und wir gingen zu Bett.

Heute Morgen kurz vor 05:00 wachte Nils auf und ich ging mit ihm runter in die Küche. Mit ihm die Treppe herunter zu laufen macht ihn wunschlos glücklich und während er noch davon zehrt, ist seine Frühstücksmilch fertig. 

Als wir die Kücke betraten, hörte ich ein Geräusch. Ein leiser Flügelschlag wie von einem ganz weit weg ziehenden Vogelschwarm. Einen ....einen weiteren....einen fast synchron mit einem anderen auf die Sekunde genau folgend. Zwei winzige Fledermäuse kreisten unter dem Plafond umher. Ihre winzigen Gesichter waren so knuffig, so niedlich, so schön. Wie winzige Batman. Sie kamen bestimmt durch die offene Terassentür oder durchs Fenster rein.

Dass Fledermäuse sich verirren konnte ich mir gar nicht vorstellen. Sie versteckten sich nicht vor uns und suchten auch nicht in den Ecken nach Orten für zum Überwintern, wie Fledermäuse es immer tun. Diese beiden Batmen haben sich bloß verirrt. Sie sahen uns an und sie waren alles andere als scheu.

Ich war vom Flügelgeräusch etwas erschrocken aber es rührte mich als ich sie so herumkreisen sah. Ich öffnete die Terassentür und nach ein paar Kreisen unter dem Plafond entdeckten sie die offene Tür. Sie flogen zurück und versteckten sich schnell wieder in der Küche unter der Einbauzeile. Die müssen da raus. 




Nebenwirkungen

Ich beobachtete noch wie die Sonne hinter den Bäumen ihren Schkafplatz suchte uns sich bettfertig machte. Ich genoß die Farbenzeremonie auf der Gartenbank und ein Glas Mineralwasser mit Zitrone und Minze. Die Frühnachtfarben des Gartens sind wunderschön.

Ich legte meinen Kopf an Lars Schulter und wir sprachen über den Tag, über die Impfung, über uns. Wie eine flauschige Decke hüllte mich die Müdigkeit ein. Ich war nicht schläfrig, sondern müde. Bleischwermüde,

"Ich bekomme Kopfschmerzen." stellte ich fest. " Hinter den Augen".  Lars massierte mene Schläfen und ich schloss die Augen. 

Lars küsste mich verspielt und ich wehrte ihn ab da ich am Hals kitzelig bin. Er küsste mich weiter und wir lachten. 

Mein ganzer Körper fühlte sich an als wäre er in Blei gegossen und ch müsste damit rennen.

"Unser....." was wollte ich sagen....."Etickettendrucker" viel mir ein. ......."ist kaputt"  

"Kein Wunder der hat bestimmt seine 7-8 Jahre auf dem Buckel. Und man bekommt keine Eticketten menr dafür."

"Wir brauchen einen neuen Etickettendrucker. Unbedingt." ich konnte mich nicht mehr richtig aufrecht halten. Ich fühlte wie das Fieber mich ummantelte und mir wurde übel. "Scheiße aber auch, die Nebenwirkungen beginnen erst.

Lars wurde zwei Tage früher geimpft und auch er hatte diese bleierne Müdigkeit. Nicht dass ich mich nicht benso ausruhen konnte wie er, aber ich will mich nicht ausruhen. Ich fühle mich nicht wohl dabei, wenn nicht die Kontrolle über alles habe. Mein Linker Arm schmerzte und er fühlte sich schwer an.

Den ganzen Samstag habe ich fast verschlafen. Zwischendurch war ich auf, habe gefüllten Paprika gekocht. Ich musste mich zusammenreißen, mich wie bei einer schwierigen OP konzentrieren, damit ich das Essen genießbar  auf den Tisch bekomme.

"Rote Tomatensauce!" rief Zoé begeistert aus.

Noelle und Lars debatierten über Tomatenarten, -sorten und -farben. Ich habe alles wie im Halbschlaf mitbekommen.

Erst gegen Sonntag Abend ließen die Nebenwirkungen nach. 

Ich habe die ganze Nacht durchgeschlafen und wachte am Montag Morgen mit migräneartigen Kopfschmerzen auf.

Lars vertrat mich in der Praxis und ich schwankte wie besoffen durch den Vormittag. Punkt 12 zum Angelusläuten rief mein Steuerberater wegen den Gehaltsunterlagen an. "Die  habe ich fertig und sie gehen heute noch raus" versicherte ich ihm. Ich bin überzeugt davon, dass er bei Maman nicht hinterher rennen musste.

"Oh, merde!" sagte er als ich ihm erklärte, dass ich irgendjemanden aus der familie damit schicke, da ich mich nicht hinter das Lenkrad setze, so unkonzentriert wie ich bin.

"Ich komme zu einem Café zu dir. Ich schätze eure Freundschaft sehr."

"Aber ja, bringen sie ihre Gattin mit, wir zaubern ewas Gutes."  Ich raffte alle meine sieben Zwetschgen auf und machte ein paar Quarktaschen mit Zimt und Zucker. Warm sind sie sehr Leckerbissen.

Nach dem Besuch war ich  so müde, als hätte ich 16h durchgearbeitet.

Immerhin hatte ich das erledigt. Das Geld für die geleisteten h im Krankenhaus habe ich an die Mitarbeiter stundengerecht verteilt. Sie freuen sich darüber. Sie haben dafür hart gearbeitet, also kriegen sie das. Andere Praxen im Ärztezentrum regeln das anders. Davon zahlen sie Krankheitsausfälle, Weiterbildungen und sogar Krankkeitsausfälle. Ich bin der Meinung, dass Leistung belohnt werden muss im Hier und Jetzt. Und das  schätzen meine Leute an uns. Es motiviert sie.

Fazit: die zweite Impfung hat es in sich.


Regengesang

 Wenn es regnete, sang ich ein Lied für die fallenden Tränen des Himmels und liebte es, wenn der Regen mein Gesang verschluckte. Sing nicht, wenn es regnet, du bringst den Himmel noch mehr zum Weinen. Singe nicht wenn es regnet, du wirst den Himmel stärker regnen lassen. Das haben die Leute hier immer geglaubt. Aber ich liebe es zu singen. Ein Dankeschön, dass der Regen den Durst der Erde gestillt und die Farben die mir nicht gefallen weggewaschen hat. Mir wurde auch gesungen.

Man singt mit den Kindern wenn es donnert und blitzt. Mit Singen mildert man die Angst vor dem  Unwetter etwas ab. Keine großen Arien oder den größten Hit aller Zeiten, oder ein Lied das man auswendig kennt, weil man es so oft gehört hat. Man singt mit eigenen Worten, die eigene Melodie, man singt aus dem Herzen.  Schließlich wird es vom Rauschen der Regenwolke und vom Donner mit krachender Stimme verschluckt. Der Donner verstummt und die Regenwolke regnet sich noch leer. Man singt weil man es so kennt. 

Les mot, parfoi, ne sont pas assez profond pour contenir tous les sentiments qu'on essaie d'y mettre

Keine Nebenwirkungen

 Ich habe heute meine 2. Impfung bekommen.

Außer dass die Einstichstelle beim Berühren etwas schmerzhaft ist, habe ich bis anhin keine Nebenwirkungen.


Das Haus

Als die alte Scheune endlich weg war, freute ich mich auf den leeren Platz und in meinen Gedanken skizzierte ich schon den Anbau an das Haus. Im gleichen Atemzug erfasste mich ein Gefühl der Trostlosigkeit.

Oma und Opa hatten für ihre Kinder Pläne. Sie hofften, dass ihre Mädels mit ihren Familien unter einem Dach wohnen würden. Die älteste Tochter zog ganz weit weg von zu Hause. Sie heiratete und zog in die ans Meer. Wir durften viele Ferien bei ihr verbringen. Als mein Bruder und ich geboren wurde, waren ihre beiden Söhne 14 und und 16 Jahre alt. Wir Cousins blieben uns irgendwie fremd.

Die mittlere Tochter, zog in die Stadt. Sie kaufte sich zusammen mit ihrem Lebensparter ein Haus am Stadtrand und kam nur nach Hause um bei der Ernte zu helfen oder zu den Feiertagen.

Meine Mutter und ihr Lebenspartner kauften sich das Grundstück nebenan und bebauten es.

Oma und Opa lebten allein in dem großen Haus. Sie wollten keine Mieter im Haus. Sie wollten niemanden der nicht zur Familie gehörte um sich herum. Im ersten Stock hatten wir Kinder unsere Kinderzimmer.

Mit 18 Jahren bezog mein älterer Bruder den 2 Stock. Heute wohnt Tante mit meiner großen Nichte im 2. Stock. 

Ich habe den Haufen Steine der von der Scheune übrig geblieben ist, wegbringen lassen und habe ein paar Päckchen Blumensamen in die Erde gestreut. Zwischen den Blumen wurcherten auch Brombeeren und Brennnesseln.

Die Natur nimmt sich alles wieder zurück. Sobald man etwas abreißt und innehält, rückt die Natur vor und erobert alles feindseelig zurück. 

Der Anbauplan ist zwar schon genehmigt, aber ich wollte dieses Jahr nicht noch weiteren Stress. Die romantische Idee mit Hilfe meines Bruders selbst Stein auf Stein zu legen, war schnell ausgeträumt, als ich den Anbauplan sah. Da ist meine kleine Nichte mit Lego kreativer als ich. Ich wünschte ich hätte diesen Teil von meinem Vater geerbt. Seine Kreativität, seine liebevolle Art und nicht seine Gewalt. mein Vater hat auch ein Haus günstig gekauft und umgebaut. Aber er hatte einiges übersehen und wie hatten Baumwurzeln unter einer Tragewand. Aber er konnte wunderschöne Böden kreieren, er konnte die Wände bemahlen wie ein Gemälde. Die Wintergartenfenster aus Buntglas hatte er kunstvoll eingebaut. Ich war viel zu klein, damit so viel Kunst an mir hängen bleiben konnte.

Ich erinnere mich wie Opa und Papá Maman's und Pá's Haus gebaut haben. Neben den roten Paprikaziegeln, wie ich sie als Kind nannte, als ich mit Freundinnen Sandessen kochte und Sandkuchen backte, machte Opa Ziegel aus Sand und Zement.

Er hatte 8 riesige "ZiegelBackformen" die er mit einer Mischung aus Zement und  fein gesiebtem Sand füllte und Stahlstäbchen in diesen "Zementkuchen" steckte. Fast tagtäglich, einen ganzen Sommer lang machte er jeden Tag 8 Steine mit verschieden angeordneten Löchern. Wenn es sehr heiß war machte er noch eine "Toure" wie er es nannte. Die Steine lagen unter einem Zelttuch oder unter einer dicken Plastikfolie und er besprenkelte die Steine regelmäßig mit Wasser. Nach 10 Tagen stapelte er sie. Er hatte auch eine Backform für lange Pfosten und etwas dünnere für Balken.

Der ganze Vorderhof und der Blumengarten war eine einzige Baustelle. Wir Kinder durften die Zementmasse in den Formen glätten, sie bewässern. Die Formen mit einem bestimmten Öl bepinseln. 

Ich habe keine Ahnung wie die Mischung für die Betoniere gemacht wird. Welchen Anteil an Zement und Sand und Wasser vermengt werden muss.

Ich habe keine Ahnung wieso die Ziegel bewässert werden müssen und wieso sie nicht austrockenen dürfen.

Die Formen hat Pá noch in einer Ecke der Garage, aber er hat ebenso wenig Ahnung wie ich. 

Ich habe keine Ahnung wie man ein Haus baut. René traut sich das Mauern nicht zu und das Fundament erst recht nicht.

Also wird erst ab nächstes Jahr angebaut.






Definition

 Ich bin eigenartig, oder eigensinnig oder wie auch immer man es in eine Definition drängen möchte.

Meine Maman hatte ihre Definition von Liebe. Sie war der Ansicht, dass die Liebe und die damit verbundene Leidenschaft jedes Hindernis überwinden würde.

Oma hatte in der Küche über ihrem in grünbraunen Kacheln eingebautem Herd, den sie mit Holz und Reisig, Nussschalen befeuerte und mit dem sie das beste Essen kochte, ein selbst genähtes Wandtuch mit folgendem Zitat  mit gothischem Schriftzug drauf:

Ein jeder Schmerz lässt sich verwinden,
eine jede tiefe Wunde heilt.
Nur eine Seele musst du finden,
die alle schmerzen mit dir teilt.

Ich fand ihn als Kind schon unverständlich. 

Maman blieb lange viel zu lange bei meinem Vater. Ich war viel zu klein, um das ganze Außmaß mitzubekommen. Und wenn ich es mitbekam, konnte ich es aus kindlicher Sicht nicht definieren wie eine Erwachsene. Sie sagte immer, dass sie wegen uns Kinder blieb.

Mein Vater schrieb ihr vor wie sie sich zu kleiden hatte, sich nicht zu schminken hatte und für Wohl des Universums verantwortlich sei.

Wären da nicht Oma und Opa gewesen, die sie daran hinderten noch einmal zu ihm zurückzukehren, wäre sie erneut zu ihm zurück gegangen un hätte sich weiterhin von ihm demütigen lassen.

Mich hat das geprägt. 

Hatte ich in einer Beziehung nichts mehr zu teilen und nicht das mich weiter bringt, rannte ich weg.

Ich habe die ersten Männer in meinem Leben mit meinem Vater verglichen. Zeigte er nur eine negative Geste die mich an die Ehe meiner Eltern erinnerte, rannte ich weg. 

Oma's Herd habe ich immer noch in der Küche, weil es so schön ist unter den Kacheln. René hat die Kacheln sogar erneuert. Ich benutze ihn aber nur im Winter. Oma benutzte ihn durch das ganze Jahr um Strom zu sparen. Er ist eine Ergänzung zur Einbauküche. 

Das "Ofentuch" habe ich nicht aufbewahrt. Ich habe es in die Altkleidersammlung gesteckt. 

Ich bin der Meinung, dass der Schmerz nicht teilbar ist. Man kann Liebe teilen indem man jemanden liebt. Aber man kein niemandem seinen Schmerz aufbürden, aufhalsen. Der Schmerz gehört einem selbst. Er ist nicht teilbar, denn es gibt niemanden der den Schmerz identisch nachfühlen oder mitfühlen kann. 

Wenn ich jemanden liebe möchte ich leer sein, von allem was davor war.

Ich vergleiche die Liebe mit einem Wasserlauf. Zu Beginn ist man zusammen ein Rinnsal, das heftig oder langsam entspringt, dann ungestüm wie Wasserfall springt, plätschert und rauscht, dann ein Bach über Gestein fließt und dann ein Fluss. manchmal reißend, manchmal ruhig. Keinen Zufluss oder sogar Karstfluss möchte ich sein, sondern einen Strom, der ins Meer fließt.

Manchmal aber die Liebe nur Dampf. Sie ist irgendwann nichts als ein leeres Flussbett.

Und manchmal frage ich mich ob ich genug Phantasie und Leidenschaft habe dauerhaft das Banalste in etwas Wunderbares zu verwandeln. 

Wären meine Gedanken nicht so akribisch wie ein Insektenforscher und ich könnte mich mehr mit dem Herzen konzentrieren.

Ich frage mich wie lange ein ruhiger, geduldiger Mensch, meine Unruhe und meine Ungeduld ertragen kann.






Immortalité


 Immortalité ist nur ein Wunsch aus Angst vor der eigenen Sterblichkeit. Ich glaube nicht an eine Immortalité im Sinne der Kirche. Ich habe meine ganz individuelle Spiritualität, die nichts mit der Kirche zu tun hat. Kann jeder glauben und denken was er will, aber meinen Glauben und mein Denken nicht in Frage zu stellen.
Jeder von uns hat seine eigene Definition zum Leben. Wir sind es gewohnt nach Definitionen zu suchen.
Und für manche in ich schwer einzuordnen, so ganz ohne Subjekt und Prädikat, so ganz ohne Adjektiv und Nomen. Und es ist unsere eigene Definition, die uns hilft durch das Leben zu gehen.
Der Tag ist endlich, auch wenn er eine Art Fortsetzung vom Vortag oder eine Zukunft für den kommenden Tag ist, ist er doch die Nacht,die manchmal schwarz wie Tinte ist, wenn das Tageslichticht ausgeht, das Ende des Tages. Die Liebe ist endlich. Einer bleibt zurück, weil er den Sinn im gemeinsamen Weg nicht findet, ein anderer wird zurückgelassen weil der andere seinen eigenen Weg gehen will. Es ist kein Unterschied zwischen dem der geht und dem der zurück bleibt, allein sind sie beide. 
Für mich ist das Leben endlich. Deshalb die Trauer und die Angst, vor der Hülle ohne Substanz,  vor dem leeren Nest, vor dem Baum ohne Früchte, vor der leblosen Farbe, vor dem parfümlosen Duft. 
Es bleibt weder Seele noch Geist übrig. Es bleiben nur Erinnerungen und die ersetzen mit der Zeit die Leere im Herzen, und der leere Platz am Tisch.
In der Natur ist es anders.
Dann fließt das Leben in die Erde, in das gefühlte Nichts. Wenn die Winterstarre endet, wächst das Leben spiralförmig aus dem Gras, aus den Blumen heraus und ertastet unsicher den Himmel, bis er weint.
Seine Tränen fallen über den Kern des Lebens, bis er aufgeht. Es wird frühlingspastellfarben und sommerfarben. Dann zeigt die Natur ihren letzen Blättertanz in den schönsten Herbstfarben, bis der Nebel sie umhüllt und sie still wird. Grau und weiß in der (un)endlichen Stille.

Zu Hause

 Zu Hause ist man mit dem Herzen und nicht mit dem Kopf. Im Geist und nicht in der Illusion. In der Stille. Da wo man seine Herzhäute nach dem Regen, nach dem Gewitter, nach dem Sturm zum Trocknen ablegen kann und sich fragil und nackt zeigen kann.

Da wo das Lächeln eines geliebten Menschen dein ganzes Leben beinhaltet. Da wo ein Blick die ganze Liebe beinhaltet. Wenn man Glück hat.