Was soll ich sagen

Nun ja, was soll ich sagen? Es ist Herbst und es regnet und ich und wir sind mit der Ernte noch nicht fertig. 

Ich sitze da und schreibe vor mich hin, da ich wieder einmal stark erkältet bin Hals sich anfühlt wie ein Reibeisen und meine eh zu leise Stimme noch leiser ist, um das Reibeisen an den Stimmbändern zu umgehen. Paracetamol senkt das Fieber zwischendurch, so dass ich die Monatsabrechnung machen konnte, mit dem Steuerberater schreiben konnte und endlich mit einem letzten Punkt und ENTER  die nötigen Unterlagen absenden konnte.

Irgendwie liebe ich den Herbst. Und ich mache gar nicht oder nur ungern Kompromisse. Ich lasse mir nicht die Farben und Pracht und die Düfte der Ernte entgehen. Also werde ich raus gehen und den Garten von Laub befreien, da der Boden umgegraben und für die Saat schon vorbereitet werden muss.

Ich schreibe und mir ist kalt, eiskalt. Ich zittere am ganzen Körper und meine Haut - kann man Spiegeleier braten, wie Oma zu sagen pflegte. Ich lache laut auf. Oma hatte geniale Metaphern und auch wenn sie wütend war musste ich über ihre Worte lachen. Und Oma drehte den Kopf weg und schmunzelte.

Nicht zum Lachen ist.....mein Kopf zerspringt fast und die Augenhöhlen schmerzen. Ich bin nicht zimperlich, aber Hilflosigkeit macht mich wütend, aggressiv.

Der Garten liegt so unruhig da, wie ein frisch verlassenes Bett. Überall totes Gemüselaub. Agonie macht sich in mir breit. Das Laub kommt auf eine übergroße Plane und wird abtransportiert und auf dem großen Feld verteilt und beim Ackern unter die Erde gemischt. Feuer zu machen ist verboten denn es räuchert die ganze Nachbarschaft ein.

In den nächsten Tagen wird der Garten wie ein leeres Feld da liegen. Das Leben der Pflanzen liegt vom Frühling bis Herbst zwischen zwei Leeren. Anfang und Ende - wie das Menschenleben. Es ist da und schon ist es weg. Wir lieben und schon ist die Liebe weg. 

Krähenschwärme picken die übrig gebliebenen Körner aus. Ich liebe diesen Lärm. 

Das Gesicht meiner Tante ist eingefallen, fällt mir auf. Eine Kartographie des Alters. Immer noch interessant und irgendwie schön. Das Leben hat sie und sie zeigt mir, dass eine Frau nicht nur für Katastrophen da ist, sondern auch für Erhabenheit. Sie hat sich aufgerichtet und sie übernimmt Aufgaben die sie nicht altern lassen.

Kürbissuppe. Nils liebt Kürbissuppe mit Haut und Haar. Wenn er etwas mag dann mit zeigt er das mit ganzem Körpereinsatz.

"Musst du essen, Mama" und reicht mir seinen Kürbislöffel. Ich bin froh für jedes bisschen was er isst. Er lehnt so vieles ab. Ein Kollege, unser Kinderarzt scherzt, dass Nils auf seine Linie achtet. Er ist gesund und das ist wichtig.

Lars holt Zoé auf dem Heimweg von der Vorschule ab. Zoé hat eine ruhige Art wie Lars, aber sie ist bestimmend und laut. Sie weiß was sie will und was nicht. Ich hoffe sie weiß es später noch, wenn sie kein Kind mehr ist. 

Ich habe bei Lars ein paar graue Haare gesichtet. Wegen mir bekommt er sie. ..... Ja nein.....bin ganz lieb zu ihm.....Ich habe noch kein einziges. Ich werde sie nicht färben. Die Natur weiss was sie tut und ich mag keine gefärbten Haare. Sie stinken. ....

Müdigkeit begleitet mich zur Zeit. Sie ist in meinem ganzen Ich. 

Langsam machen sagte meine Herztante vor ein paar Tagen.  Ich .....und die Ruhe......

Was zum Teufel treibt mich an?  Ich habe das was ich zum Lieben, zum Leben brauche. Lars die Mädels, Nils. Ich habe Menschen um mich herum die mir nahe stehen. Aber ich fühle eine winzige Leere. 

Habe eine Serie bei Disney + gesehen und habe geweint..... Schade dass sie nicht weiter geht.....

The Fosters

So selten wie ich Serien schaue ......ich mag diese Serie.





Am Rande der Zeit erwähnt

Jeden Morgen wache ich 10 Minuten bevor der Handywecker klingelt auf. Als würde er fühlen, wenn ich aufwache, 5 Sekunden später ist er ebenso wach. 25 Minuten Zeit für uns, um liebevoll mit viel Liebe in den Tag zu starten. 30 Minuten brauche ich um zu duschen zum Zähneputzen und meine Strubbelmähne zu bändigen. 

20 Minuten brauche ich für gewöhnlich für die Fahrt zur Praxis.

Zum Einkaufen brauche ich keine Minute länger als 45 Minuten. 

Die erste Panikattacke hatte ich mit 15 Jahren, nur 2 Tage nach meinem Geburtstag. Ich stieg eine Haltestelle früher aus und kam 7 Minuten zu spät zum Unterricht. Ich musste draußen im Flur warten. Ganze 43 Minuten. Bis heute kenne ich den Auslöser nicht.....ich fühlte mich beobachtet. Fühlte wie sich meine Wangen röteten und eine unbeschreibliche Unruhe in mir. Instinktiv wie ein scheues Tier handelte ich. Ich taumelte und stolperte vor mich hin, ich war tränenblind und mir wurde kalt. Ich bekam Angst. Ich sah seine Augen lange noch vor mir. Sie waren kalt. Wegrennen wurde seit jenem Tag zu meiner Stärke. 

Die letzte Panikattacke hatte ich am Freitag. Die Umbauarbeiten sind fertig, die Küche ist eingebaut, die Zimmer eingerichtet. Ich rannte die Treppe herunter in den neuen Vorratskeller und überlegte wie ich ihn aufteilen könnte. Plötzlich hörte ich meinen Herzschlag bis in die Ohren. Eine gefühlte Unendlichkeit stand ich an die Wand gelehnt wie angewurzelt. Es gibt so viele Dinge in der Luft, so viele Dinge die durch diese neuen Wände drängen, wie Umarmungen, Lachen, Weinen, Geburten. Mit der zeit werden sie sich in den Wollmäusen unter den Möbeln verheddern, an den Wänden als Staubkörner festsetzen und obwohl man sie loswerden möchte, sie werden wieder kommen. Tag für Tag.

Da war die alte Scheune mit vielen Erinnerungsstücken. Veränderungen machen mir Angst. ......aber das ist der Fortschritt der menschlichen Natur. Man entwickelt sich weiter.

Ich habe am Samstag 7 Stunden am Stück traumlos bis in die Abendstunden geschlafen. Lars hatte sich schon Gedanken gemacht. Meistens schlafe ich gut wenn ich erkältet bin und Fieber bekomme. Eine Stunde nach dem Abendessen bin ich wieder ins Nest und habe traumlos durchgeschlafen bis Sonntag um 7 Uhr. 

Ausgleich für einige schlaflosen Nächte. Ich bin entspannt wie noch nie.

Alles riecht so frisch und neu. Das war eine große Herausforderung in allen Bereichen des Lebens.  Ich danke allen Göttern, dem Universum oder wem auch immer, dass alles sehr gut ausgegangen ist. Ich Nervensäge......und er der Mann zu dem ich mit viel Herz Ja gesagt habe und mit keinem einzigen Gedanken Nein gedacht habe. Es ist seine unendlich sanfte, liebevolle Art, die mich geduldiger, schöner und besser macht. Es ist sein verträumter Blick, seine sanften Hände und seine ganze Sinnlichkeit die mich liebevoller machen.

Wieso vergesse ich das, wenn ich dem Stress ausgesetzt bin? Es war purer Stress. Die Praxis war wie Freizeit für mich. Da könnte ich Ich sein. Ich mag wenige Menschen um mich herum, da ich ein Angsthase bin und Angst habe "gefressen" zu werden, wie Omi es zu sagen pflegte " du wirst nicht gefressen". Um es deutlich zu sagen: die Handwerker, die ganzen Gandwerksgeräusche, der ganze Staub und Dreck machte mich wahnsinnig. Sogar auf die Kinder habe ich mein Unwohlsein übertragen.

Mit dem letzen Körnchen Staub fiel ich in diese bleierne Müdigkeit die mein Körper und meine Sinne lähmte.

Ich möchte nicht daran denken, wie ich in den Worten gewirbelt bin, welche verbale Entgleisung ich manchmal an Tag legte. Und er nahm alles mit Humor hin. Meine Launen, meine Worte, meine Wut. Er tröstete mich nicht, er versuchte mich abzulenken bis ich lachte. Es gibt Männer die dich schön finden und Männer die dich schön werden lassen. Und er ist so ein Mann.

Ich sage nicht, nie mehr im Leben, aber ich sage lange keinen Umbau, Anbau der in Umbau ausartet mehr. 

Der Garten bleibt für das nächste Jahr. Ich bin für dieses Jahr ausgelaugt....

Die Herbsternte wartet noch auf uns. Ab Montag wird es noch einmal für, hoffe ich doch und bete zu allen Götter und Göttinnen, dass sie nur so lange dauert, 10 heftige Tage. Aber ich freue mich trotzdem darauf. Draußen in der Natur, mit den Menschen die mir sehr nahe stehen, die ich über alle Dimensionen meines Herzen und Verstandes liebe. Ich werde wie jedes Jahr am letzten Erntetag Crème Brûlée mit caramellisertem Zucker und ein paar Flocken Vollmilchschokolade machen. Omi garnierte sie mit caramerlisierter Zichorie( oder Carokaffee). Manchmal ist das Vermissen ein Herzgewitter und die Gedanken sind Herzblitze die einschlagen. Blitze die in Asche enden und das Vermissen sich immer wieder verheddert. Auch im Neuen. Das Vermissen ist eine Liebe ohne Ort und ohne Zeit.