Clementinen

 Tante hat mich gebeten mit ihr noch einiges für das Einmachen zu kaufen fahren.

"Ich brauche noch Nelken und Vanille" stellte Tante fest und rannte voraus. " Die haben die ganz süßen Clementinen. Ich kaufe mir gleich zwei Netze davon, Mein Nachtessen für heute." freute sich Tante.

Clementinen......ich liebe sie .....

Mein Bruder Fabian und ich waren sechs Jahre alt und in der ersten Klasse und vier Monate darauf trennten sich unsere Eltern. Es war Anfang Oktober und es regnete seit Tagen ununterbrochen.René der fünf jahre älter war als wir und wir Zwillinge waren  sozusagen Schlüsselkinder. Meine Manam arbeitete Schichtdienst in der Klinik und mein Vater war selbstständig mit Bauarbeiten, wie Parket- und anderen Böden, Türen und Fenster einsetzen, Stuckateurarbeiten, Restaurierungen. Vermessungsingenieur hat er gelernt, aber damit meinte er kann man kein Geld machen und machte sich selbstständig.

Fabian ging es schon den ganzen Morgen nicht gut. Er war blass und fieberte. In der zweiten Schulstunde musste er sich übergeben und die Lehrerin wollte unsere Eltern anrufen. Wir wussten nicht wo wir unseren Vater erreichen konnten, denn Handys gab es damals noch keine. Es gab diesen D1 Funk, aber so einfach durften wir ihn nicht anrufen. Maman wollten wir nicht abrufen, sonst würde Vater wieder einen Wutanfall bekommen und ihr Vorwürfe machen.

Ich versprach Fabian schnell nach Hause zu bringen und Oma anzurufen. Damit gab sich die Lehrerin zufrieden. Die Mutter meines Vaters war damals alt und konnte sich nicht mehr einfach in den Bus setzen und zu uns fahren. Sie konnte nicht mehr so gut laufen. Sie ließ sich von Vater überall hinfahren. Wir riefen sie auch nicht an. Sie hätte die Lage dramatisiert und Maman wäre in ihren Augen die Schuldige, die schlechte Mutter und die unfähigste Frau der Welt gewesen. Und ihr Sohn, mein Vater, hätte einen Grund auszurasten gehabt.

Die frische Luft tat Fabian gut und er fühlte sich etwas gestärkter. Als wir zu Hause ankamen zog er sich um und legte sich ins Bett. Ich brachte seine Kleidung in den Wäschekorb. 

Er rief nach mir und weinte und erbrach sich wieder und wieder. Ich stellte den Stuhl an den Wohnzimmerschrank kletterte auf den Stuhl und griff nach dem Fieberthermometer. Stirn an Stirn starrten wir auf das Display, "Ist 38, 7 ° C hoch?" fragte ich. 

"Weiss ich nicht," weinte Fabian und klagte wegen Kopfschmerzen.

"Essigwasser!" rief ich. Ich nahm zwei Gästehandtücher aus dem Badschrank, mischte sorgfältig Apfelessig mit Wasser. Ich leerte die halbe Flasche, damit es ja schnell wirkt, tunkte die Tücher in die Essigmischung und legte einen Plastiksack auf das Bett. Ich wickelte seine Füße ein, legte noch ein Badetuch auf die Füße und dann die Bettdecke. Er zuckte nur leicht zusammen, als ich die klaten Handtüchel um seine Beine wickelte.

"Halte still!" schrie ich panisch, Ich musste ihm helfen, damit das Fieber nicht weiter steigt. "Er lag da und bewegte sich kaum."  Ich weinte vor mich hin und versuchte mich zu beruhigen, indem ich nachdachte was Fabian noch helfen könnte. Ich konnte zwar die Uhr lesen aber ich hatte das Gefühl die Zeit würde stillstehen. René würde gegen 14:00 von der Schule kommen. ich versuchte zu rechnen. Um 13:00 Unterrichtsende.....der Bus .....wann kommt der Bus.....er hat was gesagt ....20 nach.....4 Haltestellen sind es.......und dann die Straße überqueren.....aber wenn er mit Kumpel herumtrödelt?......

Noch nie im Leben hatte sich so ungeduldig sehnsüchtig auf jemanden gewartet, wie damals auf René. Ich wechselte die Wadenwickel erneut und Fabian zuckte erneut zusammen. Er döste vor sich hin, hustete manchmal heftig und ich hatte solche Angst um ihn...ich zweifelte an meiner Heilungskunst... ich habe doch den Essig ins kalte Wasser geschüttet, die Tücher eingetaucht und nur die Füße damit eingewickelt. Auf dem Fußboden bildete sich eine Lake, weil ich die Tücher nicht richtig auswringen konnte.....ich wischte das Parkett schnell trocken und stellte eine Plastikschüssel neben das Bett, damit der Boden nicht nass wird. Ich habe doch alles richtig gemacht.....oder doch nicht? Ich legte noch ein Kissen unter Fabians Kopf. Er sollte aufrecht sitzenm damit er nicht mehr so stark hustet.....

Ich rannte von einer Ecke in die andere und konnte kaum richtig atmen vor Angst um Fabian.

"Ich habe sooooo Hunger, " er war bis zu den Haarwurzeln durchgeschwitzt als er sich im Bett aufsetzte. 

Ich griff in den Obstkorb der mit Clementinen und Äpfeln befüllt war und schälte ihm eine Clemetine. Er aß als hätte er seit Tagen nichts gegessen. "Die schmeckt lecker!" stellte er schmatzend fest. Ich schälte ihm noch zwei davon. 

"Jetzt ist Schluss damit. ich mache Suppe warm."  Ich mache in der Mikrowelle Hühnereintopf warm, den Maman für uns einen Tag zuvor zubereitet hatte. 

Als Réne nach Hause kam, war das Schlimmste schon überstanden. "Fabian löffelte die Suppentasse leer und ich staunte über seinen Riesenhunger. Ihm muss es ja gut gehen.......Ich kann ihm helfen.....ich bin schon groß.

Damals wussten wir "es waren die Clementinen, die ihn gesund gemacht haben" René lobte mich " du hast das sooo toll gememacht" das war mir so wichtig, weil ich René damals vergötterte. 

"Ich bin so stolz auf meine kleine Puppe!" freute sich mein Vater, dass er vergaß Maman für die Götter und die Welt zu beschuldigen.

Eine Bronchitis und eine Amigdalitis heilte Maman viel besser als ich. Und ich beneidete Fabian um die Genesungsferien. Kaltes Wasser und Eis bescherten mir kein Fieber und keine halsschmerzen und ich trottete jeden Tag zur Schule.

Die kindliche Hoffnung ist noch nicht mit dem Wissen oder Nichtwissen eines Erwachsenen überschattet. Diese pure innocente Hoffnung ist hilfreicher als die erwachsene Hoffnung die man aufgibt weil man meint zu wissen sie wäre sinnlos.

Clementinen .....sie heilen nicht das Vermissen. Sie heilen den Vermissenschmerz. 

Ich kaufte Clementinen für die Obstkörbe und für mein Herz.

Und  nun ja,

was würde ich tun, hätte der Himmel tatsächlich Besuchszeiten? Würde ich tatsächlich für eine Stunde oder zwei da hochklettern, ich stelle mir eine Leiter vor die die Götter oder wer auch immer herunterlässt, damit ich der Reihe nach alle besuche, ihnen von mir und meinem Leben erzähle, sie um Rat frage, oder einfach  nur rede bis die Besuchszeit zu Ende ist.

Die Endlichkeit des Lebens zeigt sich nach diesem Augenblick und ich höre diese Lied noch einmal, um noch einmal zu Träumen.





Nostalgie.

Den Wochenendeinkauf erledige ich am liebsten nach dem Dienst entweder zusammen mit Lars oder am liebsten allein. Ich bummele nicht gerne. Ich weiß auch ohne lange Einkaufszettel oder Handyliste. 
Am Freitag hatte ich einen Termin beim Ophtalmologe. Wegen den pupillenerweiternden Augentropfen für die Opftalmoskopie, hat mich Lars begleitet.
Die Terminvergabe ist hierzulande bei den meisten Fachärzten sehr gut geregelt um Wartezeiten zu vermeiden. Davon träumen wir Durchgangs- und Unfallärzte nur. Tage, an denen die Wartezimmer nicht voll sind(seit Corona dürfen sie nicht voll sein, dafür gibt es Bänke im Hof) sind bei uns selten.

Die Assistentin kam gleich mit den Tropfen angerannt, kaum haben wir uns hingesetzt. Nachdem der Arzt festgestellt hatte, dass sich meine Sehstärke sich minimal verändert hat, schrieb er mir das Rezept für die Brille auf. 
"Lass uns zum Optiker gehen damit," sagte ich zu Lars. Brillengestelle auszusuchen ist auch nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Es ist genau so blöd wie in der Drogerie das Aufsprühen von Parfüms. Eindrücke vermischen sich und man hat keine klare Vorstellung mehr. 
Die Optikerin war mir behilflich, als ich ratlos da stand und zwei überdimensionale Brillen wie Bullaugen an der Waschmaschine in der Hand hielt und meinte ich hätte ein kleines symetrisches Gesicht. Zu meinem kleinen Gesicht passen große runde Brillen mit einem markanten Gestell nicht. Ich liebe große runde Brillen. 
Ich und Symetrie....immerhin ein Mensch der sagt ich hätte keinen sturen Dickschädel. 
Ich sollte eine Brille mit einem helleren Gestell nehmen wegen den Kontrasten zur Augenfarbe und Haarfarbe. Dunkle Gestelle machen dunkle Augen hart. 
Meine erste Brille war wasserfarbenblau, erinnerte ich mich. Ich fragte nach blauen Gestellen.
Sie lächelte dezent( die hielt mich bestimmt für ein unmoderner Freak) und zeigte mir ein milchkaffeefarbenes und ein altrosatransparenfarbenes Brillengestell. Beide waren farblich nur leicht angehaucht. Ich entschied mich gemeinsam mit Lars für das milchkaffeefarbene. Bis Mittwoch könnte ich die Brille dann abolen, meinte die Optikerin. 
"Nur raus hier!" dachte ich. 
"Wir könnten noch einkaufen fahren," meinte Lars. Super Idee dachte ich. Ich muss am Samstag nicht mehr rausfahren.
Pustekuchen! Aber seine Idee war gut. Als wir das Einkaufszentrum betraten, tränten meine Augen und ich sah alles verschwommen und überdimensional. Ich rannte mit gereizten Augen. 
Wir kauften nur ein paar Sachen die Lars gerne haben wollte und fuhren nach Hause.
Er wollte mich noch zu einem Milchshake einladen, aber ich habe keine Lust mich irgendwohin mit Maske zu setzen  trotz vollständigem Impfstatus. Wir tragen umgerechnet bis 10 h am Tag ununterbrochen Maske. Privat brauche ich das nicht auch noch.  Ich kann zu Hause auch Milchshakes zubereiten. Und außerdem wollte ich mich nicht mit tränenden Augen  exponieren.

Am Samstag fuhren wir dann noch einmal in die Stadt. Da seine Mama noch dabei war und sie gerne in Café's geht, weil ihr hier die Lesecafé's sehr gut gefallen, gingen wir in ein Café. Es war richtig wunderschön da zu sitzen und miteinander zu reden und genießen. So richtig nostalgisch. Für ca zwei Stunden nur Nostalgiker zu sein......davon zehrt man eine Weile. Mit Mam' wie Lars sie nennt kann man gute Gespräche führen. Sie ist ein ruhiger Mensch wie ihr Sohn. Und sie hat das gleiche Lächeln wie er. 
"Baut ihr nächstes Jahr an?" fragte Mam' und ich verschluckte mich fast am Milchshake. 
"Ich weiß nicht ob wir uns das noch einmal antun. Ich bin noch vom Umbau müde. Die Zeit als ich Zoé im Tragetuch um meinen Körper geschlungen habe und in der Handwerkerlatzhose die Pá uns hingelegt hat, die ich bis zu den Knien umschlagen musste um laufen zu können. Und wie ich mit dem elektischen Meißel die Fliesen zusammen mit René entfernt habe. Am nächsten Tag die Umbauarbeiten in der Praxis koordinieren musste, dann wieder auf die Baustelle im Bad und Küche. Noch einmal das ganze Chaos?" sagte ich. 

Manchmal habe ich das Gefühl dass mein ganzes Ich wie ein Vulkangestein ist. Eine ganz dünne fragile Schicht und darunter flüssige Lava. Mein Temperament könnte jeden Moment aufbrechen, eruptieren und ich bin Feuer und Flamme in Taten und Worten. Ich würde heute damit anfangen zu buddeln zu bauen und zu finisieren, aber gleichzeitig würden alle um mich herum mit mir durch meine Launen- Hölle wandern.

Lars erzählte ihr wie wir durch das Chaos gewatet sind. Und als er erzählte wie viel Angst wir wegen Nils und Corona durchgestanden hatten. 
"Das habt ihr jetzt nicht mehr, ich pass auf die Kinder auf. Ihr müsst sie nicht mit auf die Baustelle nehmen." versuchte sie uns zu trösten.
Die Zeit rennt uns davon, denn die Genehmigung ist nur noch bis '22 gültig. Diese zu verlängern kostet gut Geld.Wir sollten, wir müssen  uns dringend entschieden und vielleicht nach der Maisernte mit dem Bauen beginnen.


Il est dans ma vie des moments où je voudrais que l'on m'accorde une pause. Un moment de repis, de retouvaille avec moi même pour que je puisse faire le point de ce qui se passe dans cette vie, voir les choses avec plus de discernement et de recul. Me reposer de tout ce brouhaha extérieur. Un moment pendant lequel je pourrais évacuer tous les mauvais sentiments que je ressens sans que mes humeurs ne fassent du mal à mes proches.




Mode - sonst nichts

Bei Pá entdeckte ich gestern Nachmittag  ein Photo von mir und Fabian. Wir waren da mit der Schulklasse auf einem Ausflug. Ich stand in der vorderen Reihe, weil ich kleiner war als fast alle anderen, Nur zwei Mädchen hatten die gleiche Größe wie ich. Meine Strubbelhaare hatte ich zu einem Zopf geflochten der meine linke Schulter zierte. Das war in 2000, da war ich knapp 17 Jahre alt. Ich trug einen Jeansrock mit Knöpfen und eine karierte Hemdbluse. Das war damals sehr in vogue.  Und damals passte ich mich noch an. Den einen oder anderen Mist machte ich mit, um nicht aus der Reihe zu tanzen. An den Füßen trug ich klobige Sneaker. Schwarze Buffalo Plateau Sneaker waren damals der Hit. Es waren eher geschlossene Schule als Sneaker.  Meine Götter was für massive Klumpen für meine kleinen Füßchen....Größe 36 - 37 je nach Schuhschnitt. Immerhin sahen meine Füße richtig riesig darin aus. Wie ein Stiel in einem Apfel. Ich lächelte verschmitzt  und verträumt vor mich hin. Von wegen in die Kamera, sondern irgendwohin zu Seite. Was oder wen ich da anlächelte, weiß ich heute doch nicht mehr. Ich kann mich namentlich gar nicht mehr an alle Klassenkollegen erinnern. Einige von uns gingen auf die Oberstufe, andere wechselten sogar auf andere Schulen. Es war eine sehr schöne Zeit. Einige waren verliebt, ich "baute noch Schlösser und Burgen im Sand". Ja nein, ich hatte noch keine Augen und Sinne für Jungs. Und sie nicht für mich. Sie wollten ältere, körperlich reifere, weiblichere Mädels aus der Oberstufe. Ich war ihre Kumpelin, Freundin, Kameradin und keine Liebhaberin auf sexueller Art. Nur die gaben sich nicht mit ihnen ab und sahen sich nach Männern  die über 20 um.  

Maman schenkte mir die Buffalo's da ich sie unbedingt haben wollte."Damit kannst du gar nicht richtig gehen, die sind viel zu schwer für deine Füße." Sie warnte mich immer vor unmöglichem Schuhwerk die orthopädisch Einfluss nehmen könne. Hohe Absätze deformieren die Füße, verstellen die Wirbelsäule. Sie war für bequeme Schuhe mit weichen Sohlen. Man sollte damit rennen können, sich damit wie barfuß fühlen. Aber meine Ohren waren für alle Ratschläge von Erwachsenen taub. 

Tatsächlich hatte sie mit den Buffalo's Recht. Sie waren wirklich nicht bequem. Sie sahen aus wie schwarze Hufen. Und zu Kleidern passten sie gar nicht. Ich trug sie eine Weile noch zu Jeans, weil Maman meinte ich hätte sie mir so sehr gewünscht  und dann stellte ich sie in den Schuhschrank und trug sie nie wieder. 

Heute achte ich nicht auf die aktuellste Mode. Ich trage das was mir gefällt und was sich bequem anfühlt. Ich muss mich darin bewegen können, damit rennen können. Ich möchte mir keine Gedanken machen ob die Bluse zu unbestimmter Zeit an bestimmten Orten Einblicke gewährt. 

Es gab eine Zeit, da habe ich meine Haare geglättet, weil glattes Haar angesagt ist. Nur hilft das Glätten herzlich wenig wenn es regnet. Krauses Haar wird bei hoher Luftfeuchtigkeit noch strubbeliger. Heute sind meine Haare nicht mehr ganz so strubbelig und mit ein paar richtigen Griffe habe ich sie gebändigt ohne sie gerade zupfen zu müssen. 

Mode ist sehr individuell. Und sie ist Handarbeit. Alles andere ist Verkleidung.

Gestickte Blusen und Kleider und Spitze ist wieder in, ich liebe sie. 

Oma hatte selbstgestrickte Balerinas. Regelmäßig strickte sie sich welche und brachte sie zum Schuster um sie besohlen zu lassen. Als Kind bin immer wieder reingeschlüpft. 

Die sind heute fast ein Muss. Nur ich kann sie nicht stricken. 






Wenn eine Geschichte zu Ende ist, beginnt irgendwann eine neue. Man sollte sie zulassen.

 Wenn eine Geschichte zu Ende ist, beginnt irgendwann eine neue. Man sollte sie zulassen.

Mit der Zeit verändert sich einiges oder vieles. Nicht alles, aber vieles.

"Erzähle mir bitte alles. Ich bin neugierig." sagte Pá an meinem Ohr, als er mich sehr herzlich begrüßte. "Ich freue mich, dass ihr wieder da seid."

"Pá, das war eine ganz normale Fortbildung." lachte ich. "Die gesamte Fortbildung verbrachten wir in OP's und eigneten und wir stellten untereinander neue OP-Methoden vor. Es waren einige Vertreter dabei die uns ihre neuen Technologieen vorstellten, neue Materialien, neue Software."

"Ich bin noch nicht ganz verblödet, Mädchen. Du kannst mit mir im Fachjargon sprechen. " er wirkte etwas enttäuscht. Ich erzählte ihm ausführlich über jeden Fortbildungstag und der Lehrer in ihm hörte aufmerksam zu. Ich fühlte mich wie ein kleines Mädchen, als ich ihm über meinen Alltag in der Schule berichtete. Damals hörte er ebenso ganz genau zu. 

"Weisst du was Pá?" sagte ich schnell. "Solche Gespräche vermisse ich. Ich vermisse es, mit dir zusammenzusitzen und über unsere Erlebnisse zu reden. Du hast dich in letzter Zeit von uns abgewendet." Tränen fielen wie ein Wasserfall über meine Wangen. Meine Stimmbänder waren tränengetränkt.

"Es tut mir so leid, dass du so empfunden hast," sagte er gerührt. Pá weinte noch nie vor uns. Er unterdrückte sein Weinen, aber man merkte es in  seiner Stimme.

"Weisst du, es ist so: ich vermisse immer noch deine Maman. Jetzt sage nicht, dass es lange her sei und man sollte loslassen können. Ich habe den Eindruck, dass Frauen Verlust besser ertragen können als wir Männer. Männer haben davon keine Ahnung. Für uns Männer ist der Verlust eine Niederlage. Ich hätte gerne mehr für sie getan, wenn ich gewusst hätte wie.  Verlieren macht wütend. Als Mann fühlt man sich wie in der Wildnis. Man muss beobachten und beschützen. Und ich konnte das nicht."

"Doch das konntest du immer und du tust es heute noch bei den Mädels und sogar bei Nils. Und bei mir immer noch. Was ist genau los? Wieso hast du dein Geflügel aufgegeben? Dein Obst? Wieso verbringst du deine Freizeit in der Stadt? Nur damit du weißt: ich brauche dich nicht als Babysitter oder dass du mir im Garten hilfst. Ich vermisse dich als mein Vater, die Kinder vermissen dich als Opa. "  Ich kann ihn nicht verstehen, wenn er nicht darüber spricht.

"Ich fühlte mich allein. Du weißt, als Mann fühlte ich mich einsam. Und ich lernte jemanden kennen." er sprach leise, als wollte er es vermeiden mir weh zu tun. Aber ich freue mich sehr für ihn, dass er wieder lebt. Dass es sich wieder lebendig fühlt.

"Bring sie doch mal mit, dass wir sie kennen lernen," sagte ich. 

"Wir haben uns getrennt." stellte er klar. " Vielleicht bin ich zu alt für solche Veränderungen, für ein neues Leben. Es stellt das was ich bis anhin hatte auf den Kopf, es verdrängt es, löscht es aus. Und sie ist ganz anders als Amalie es war. Sie ist bestimmender, dominant und schnell beleidigt. Sie nannte mich ein "Dickkopf" ein "verschlafener Parasit" der sich bei ihr nur eingenistet hat um Sex zu haben. Dann war es für mich höchste Zeit zu gehen. Man sollte  mich nicht als Parasit empfinden."

"Weißt du Pá? Wenn eine Geschichte zu Ende ist, beginnt irgendwann eine neue. Man sollte sie zulassen. Und sie hat es gefühlt, dass du sie nicht zulässt. Und es gibt für einen Menschen nichts schokierenderes als die Erkenntnis, dass man im Schatten eines anderen steht und von einem erwartet wird so zu werden wie es erwünscht wird." 

"Es gibt ihr noch lange nicht das Recht mich Parasit zu nennen!" rief er aus. Er wurde wütend.

"Ja, nein! Aber sie ist verletzt. Ich würde auch gehen. Ich würde davonrennen ohne nur ein Wort zu sagen. Ich hätte kein einziges Wort darüber verlieren wollen für etwas was keinen nährhaften Boden haben kann, weil jemand noch in seiner Vergangenheit gefangen ist. Sie erfühlte es und forderte von dir Klartext. Die meisten Frauen aber gehen ohne ein Wort und ihre Liebe bleibt trotzdem lange noch."

"Ich wusste doch nicht, dass ich noch sehr stark an deiner Maman hänge." seine Stimme ist gefasst, aber sehr traurig im Unterton. Und leicht aggressiv. Eher genervt. Ich merkte, dass er ungern darüber spricht.

"Ich bin wieder da. Ich bin zurück. Diese Erfahrung musste ich machen. Man muss nicht jemanden lieben um Sex zu haben." sagt er leise.

"Pá, nicht dass du das Gefühl hast, es würde mich verletzen. Ich fühle mich nicht mehr wie ein Trennungskind. ich stehe dir nicht im Weg und René bestimmt auch nicht. Also wenn du jemanden kennenlernst, lass es zu, was immer daraus werden kann." 

Wir saßen noch eine Weile zusammen, Seine Nähe tut mir gut und er fühlt sich sehr wohl bei mir.

"Hast du gesehen, Nils hat in der Zeit wo ihr in Strassbourg wart, einen neuen Zahn bekommen?" er lachte.

"Aber ja, er hat mich damit schon gebissen." Nils Zahnleiste ist wie ein Frühlingsfeld. Die Milchzähnchen(Mäusezähnchen, weil sie nach dem Zahnfleischdurchbruch so zackig sind) durchbrechen das Zahnfleisch. Es ist schmerzhaft. Die meisten Kinder kauen auf allem herum und beißen.





Angekommen

Wir kamen erst gestern am späten Abend von einer Fortbildung zurück. Wir sind noch gestern am späten Nachmittag nach Hause gefahren. Zu Hause angekommen regnete es. Der Regen war immer noch etwas sommerlauwarm und weich. Die Natur nimmt auf ihre Art Abschied vom Sommer. 

Wir brachten unser Gepäck so leise wir konnten ins Haus. Es war schon nach 23:00 Uhr und wir wollten die Mädels und Nils nicht wecken. 

Tante hatte für uns eine Lasagne und Suppe vorbereitet. Tante's liebevolle ruppige Art ist etwas Besonderes, etwas Feines. Sie sagt dir genau was sie denkt. Dieses akute Denken habe ich auch, aber ich kann mich auch zurücknehmen, wenn es angebracht ist. Nur wenige Menschen die mir sehr nahe stehen, kennen meine wilde Natur.

Lars hat urplötzlich der große Hunger gepackt. Wie zärtlich er "Selbstgemachtes Essen" ausspricht. Dass ich alles selbst koche, die Gewürze selbst mixe und alles chemische ablehne fasziniert ihn. 

Wenn ich das Essen zubereite,  steht er meistens hinter mir und sieht mir zu, wie ich hantiere, wie ich das Essen mit den Gewürzen abschmecke, wie ich es anrichte. Obwohl er im OP sehr geschickt und sehr feinmotorisch, haargenau und haarfein arbeitet,  bei mir in der Küche hat er kein Mitspracherecht. Die Küche ist mein Territorium.  Er genießt lieber und kostet und kostet, als dass er vorher noch die Zutaten zurechtschneiden oder sogar garen muss. Wenn es darauf ankäme, konnte er schon einiges auf den Teller zaubern, so ist es nicht. Wenn er es nicht muss, wieso sollte er es tun?

Ich habe so spät am Abend keinen Hunger, aber dem Lasagneduft konnte ich nicht widerstehen. 

Überraschend kam die Zusage für die Fortbildung. Man muss ja mit der Zeit gehen und sich neue OP-Methoden aneignen. Wir haben einen neuen OP und der hat sehr viel Geld gekostet, also muss es voll ausgelastet werden. Wir haben einen neuen Unfallchirurgen und zwei OP-Assistentinnen eingestellt, die unser Team ergänzen. Sie werden ab dem 15. Oktober ihren Dienst bei uns beginnen. Dann sind alle ein bisschen entlastet. 

Ich hatte die letzten Wochen kaum Zeit noch Sinn zum Schreiben. Wärend der Fortbildung mit Lars ausschließlich wie ein Liebespaar zu verbringen tat uns gut. Die Abende waren wunderschönliebevoll. 

Aber, - mein überdimensionales Aber: ich war nicht zu Hause. mein zu Hause ist mit Sehnsucht, mit Liebe, mit Erwartung und Hoffnung durchwachsen. Und nur da fühle ich mich unbewusst wohl. 

Nun bin ich wieder zu Hause. Auch wenn Lars sagt er sei es auch - irgendwie fremdelt er ein bisschen, habe ich den Eindruck. Oder täuscht mich mein Gefühl und er lässt mir nur sprachlich den Vortritt. Er verneint es immer wieder. 

Als ich aus dem Auto stieg sog ich die milde Nachtluft ein und ich fühlte wie meine Lungen sich durstig weiteten. Es duftet nach Herbst, nach taunassem Gras. Die dunkelgrauen Wolken am Nachthimmel beeilten sich die letzte Lichtfaser des Tages zu verschlingen. Wolkenzüge fuhren aneinander vorbei. Und der Mond zeigte sich schüchtern dahinter. Er scheint sich zu runden. In den nächsten Tagen sollte er voll sein.

Keine Ahnung. Der Vollmond hat keinen Einfluss auf mein Gefühlsempfinden, sowie meine Mensis keinen Einfluss auf meine Launen hat. Ammensagen und nichts weiter. 

"Ich hoffe du kannst wieder besser schlafen," sagte Lars als ich mich in unser Bett fallen ließ. Er hatte sich von Dienstag- bis Donnerstagmorgen darüber beschwert, ich hätte sehr unruhig geschlafen und mich immer wieder quergelegt. Ich habe ncht viel geschlafen. Ich drehte mich im Schlaf von einer Seite auf die andere. Ich habe diesen Holzschlaf nicht. Er hingegen schläft ruhig, ab und zu röchelt er leise. Meistens nur wenn er etwas erkältet ist.

Ich musste lachen, da ich mich an unsere ersten gemeinsamen Nächte erinnerte - ich strampelte die Decke vom Bett, legte mich quer. Wenn mir kalt wurde, suchte ich nach der Decke und zog sie vom Boden hoch. Mir war es peinlich so unruhig zu schlafen. man schläft nackt in jemandens Armen ein und im Schlaf wandert man nackt quer über das Bett. Er lächelte darüber und ich konnte ihn nicht einmal ansehen vor Scham.

Und tatsächlich fiel ich in einen traumlosen Tiefschlaf. Erst als der Handywecker sich um 7:00 Uhr  meldete, fuhr ich hoch und ich brauchte ein paar Sekunden um zu realisieren, dass ich in unserem Bett bin.

Lars war unten in der Küche und fütterte Kater Maurice und unser alterndes Teufelchen das immer nich sehr robust überall herumklettert.

"Maurice ist wieder herumgerannt, als würde er verhungern und unser Hund Bobby wollte raus." sagte Lars. "Ich wollte dich schlafen lassen." Tatsächlich schlief ich tief und fest wie ein Murmeltier. Ich habe selten so einen Tiefschlaf, dass ich um mich herum nichts wahrnehme. Das wenige was er von einem Hasky in seinen Genen hat ist das Heulen. Er bellt nicht, er singt heulend. Labradorkopf, Retrieverkörperbau, Haskyohren und Haskybellen. Er ist aber sehr kinderlieb.  Er verbeisst sich aber in Küken und alles was fiept. Man kann ihn nicht in den Geflügelhof lassen. 

Bevor wir zusammen die Kinder abholen trinken wir noch einen Zauberkaffee mit viel Milchschaum und Zimt und Kakao. Wie ich den vermisst habe......





Die erste Tochter

 Oma war für ein paar Jahre allein mit ihrer ersten Tochter.  - Alleinerziehend - würde man es heute nennen. 

Nur kurz weiche ich ab weil ein Blitzgedanke unbedingt niedergeschrieben werden wollte. "Setze das Wort nicht in Anführungszeichen, du wertest es ab." sagte mein Vater immer wenn ich mit den Fingen die Anführungszeichen ahmte.

Ich werte es nicht ab. Oma hatte zehn Jahre lang allein für ihr kleines Mädchen und sich allein sorgen müssen, dass sie etwas zu essen, zu anziehen und ein Paar Schuhe hatten. 

Erst dann schrieb ihr Opa, dass er sich hier etwas Feld erwerben konnte und gerade ein kleines Haus umbaut und er sich hier sehr wohl fühle. Sie möge doch hierher ziehen. Oma erzählte das immer wieder, so voller Emotionen, so voller Liebe, dass Opa ihr ganz gerührt in die Augen sah. Das ist Liebe, sagt man. Es waren andere Zeiten. Man blieb zusammen und versuchte das Beste daraus zu machen.

Mir würde das nicht gelingen. Das weiss ich. Liebe ist für mich endlich. Man entfremdet sich doch nach so einer langen Zeit. Ich würde da nicht anknüpfen wollen. Ich hätte da Fragen über Fragen.

Trotz aller Fürsorge und Liebe, die verlorenen Jahre konnte Opa mit seiner ersten Tochter nicht mehr aufholen. 10 Jahre lang hat man ihrcerzählt, er wäre gefallen. Oma und Opa bekamen noch zwei Töchter.  In den 70ern rannte die erste Tochter über Nacht von zu Hause weg, verschlug sich in der Bretagne und verliebte sich irgendwann in meinen Onkel. Erst mein Onkel konnte sie überreden ihre Eltern und Schwestern zu besuchen. Maman und sie hatten eine besondere starke Bindung zueinander.

Mit etwas Geld von Oma und Opa und mit viel Arbeit, haben sie sich eine kleine Pension gekauft, bauten sie um sicherten damit ihren Lebensunterhalt.

Als Tante Hanna(Johanna) gesundheitlich sehr angeschlagen, schaffte es Onkel nicht mehr alles allein zu bewältigen. Sie verkaufte die Pension und behielten nur das anliegende Haus. Als Tante Hanna ca 3 Jahre nach Maman starb, hinterließ sie meinen Onkel traurig zurück. Er kann es sich bis heute nicht vorstellen hier vom Meer wegzuziehen. Das Haus mit den kirschroten Fensterläden, ein Chaumière, wie man hier die Sandsteinhäuser mit den meist bunten Fensterläden nennt,  ist alt, das ganze Gebälk knackst bei jedem Schritt. Aber es hat seinen alten Charme. Nur wirkt dieser  Charm sehr morbide. Nichts hat sich im Laufe der Zeit verändert. Seit der Beerdigung waren wir nicht mehr hier. Sein Sohn, der 9 Jahre älter ist als ich, lebt mit seiner Freundin nahe Paris und scheint viel zu beschäftigt zu sein, um seinen Vater regelmäßig zu besuchen.

Der Eingang zum Haus ist mit verblühten Hortensien und Seegras zugewuchert. Hanna`s Hortensien. Sie würde Onkel zu Boden schreien, wegen der Wildnis. Verwittert und verwildert.

"Heb die Füße an, sonst fällst du wieder über die Türschwelle!" lachte er. Die Bretonen habe ihre eigene Sprache die mit der Französischen gar nicht artverwandt ist. Er bemüht sich für uns ein feines Hochfranzösisch zu sprechen und verfällt ab und zu in die vielen ch seiner Sprache.

Ich lachte mit. Jedes Mal stolperte ich über die taubenblau lackierte Schwelle. Heute wäre ich bestimmt auch über die Schwelle geflogen.

Wie ich diese Lampe im Flur liebe. Eine Art Sturmlampe, eine Imitation mit warm gedämpften elektrischem Licht. 

Onkel sieht alt aus. Seine Haare sind fast weiß und seine Augen zeigten deutlich ihren Mangel an Schlaf. Er drückte mich so fest an sich, als wären wir alte Freunde.

Ein erfrischender Duft, ein Amalgam aus Seegras, reifen Feigen und Oleander strömte durch das offene Fenster.

Im Haus ist es so sauber, dass man vom Boden essen könnte. 

Wir haben eine Woche mit Onkel Jean, seinen melancholischen und lebendigen Humor zugleich genießen dürfen. und die Küche.....ich habe noch nie Fisch gegessen, geschweige denn Meeresfrüchte, aber er hat mich gelehrt auf was ich achten muss, wenn ich Fisch kaufe und zubereite.

Er hat uns seinen Freunden und Nachbarn vorgestellt und sie waren alle so herzlich zu uns.

Am Freitag Abend saßen wir beim Soirée mit Onkel und er trank nur Schnaps. Ich kannte diese Seite an ihm nicht. Da sagte er zu Fabienne: "Such dir den Mann fürs Leben gut aus. Es gibt drei Kategorien Männer. Die einen wollen dich besitzen, sind egoistisch und rechthaberisch. die zweiten sind lieb, die kannst du heiraten. Die sehen nur dich und sonst niemanden. Nicht einmal sich selbst. Und dann auf einmal wird es ihnen langweilig mit dir, weil sie nur dich angesehen haben. dann hören sie auf zu leben, sie vegetieren neben dir her. Und die dritten sind die für die du lebst, mit denen alles Sinn macht. Du liebst sie und sie lieben dich. Du stehst auf um sie zu lieben, du lebst um sie zu lieben und du bist deren Lebensinhalt und sie deinen. Für so einen lässt du alles liegen und stehen."

Er sah mich an und sagte: "Für deine Tante Hanna hätte ich alles hier liegen lassen und wäre mit ihr überall hingezogen, aber sie wollte hier am Meer bleiben." er schniefte. "Es ist so schade, dass wir so weit auseinander leben, dass wir uns so selten besuchen kommen."

"Aber ja! Du bist Rentner Onkel Jean, du kannst uns immer besuchen. Wir holen dich auch gerne ab, wenn du nicht mehr weit fahren kannst."

Am Samstag Morgen als wir uns verabschiedeten sagte er, was ich dachte, der Schnaps hätte es ihm vernebelt: "Zu Weihnachten, so Gott will, holt ihr mich ab, damit wir noch etwas von uns haben. Wie die Zeit vergeht......kommt gut und gesund heim"

Ich fragte mich oft, wieso Tante alles hinter sich ließ und von einem Tag auf den anderen weg zog ohne sich zu verabschieden? Waren Opa und Oma daran schuld, da sie sich mehr um Maman drehten, um das Nesthäkchen? Waren es die Freunde, die sie überredeteten?  Oder rannte sie von ihrem Zukünftigen weg? Man sprach nie darüber. Sie hatte einen Freund, hatte ihre eigene Wohnung, Oma und Opa bezahlten ihr Studium, sie konnte tun und lassen was sie wollte. Sie rannte mit ein paar Freunden weg. Meine andere Tante meinte, es war damals so, dass die Kinder "die Jungen" es sehr eilig hatten in die Großstadt zu ziehen, weil sie bessere Möglichkeiten hatten sich beruflich zu verwirklichen. Wenige blieben zurück zum das Landleben aufrecht zu halten. Heute ist es wieder andersrum. Viele kommen zurück, kaufen Feld und bauen wieder Häuser. Sie wollen das Landleben für die Kinder, sie gründen wieder das eine oder andere Unternehmen. Sie haben den Stress und das Stadtleben satt.

Sie liebte mich abgöttisch, da ich das einzige Mädchen unter allen Kindern bin. Sie nähte für mich Kleider und Bettwäsche, sie strickte für mich Mützen und Sweater und ich durfte jede Ferien bei ihr verbringen. 

Als ich wegzog, habe ich ihr das Herz gebrochen. Sie war so verletzt, dass ihr "einziges Mädchen" sie verlassen hatte. Sie war so wütend auf Fabian, dass sie sogar fähig war zu sagen. "trete mir nicht mehr unter die Augen." 

Als ich dann noch Hals über Kopf heiratete, obwohl ich in meinen Gefühlen, in meiner Liebe so unsicher war wie noch nie und blind alles übersehen hatte, meine Unreife, seine Unreife, seine Unselbstständigleit und meinen Zweifel, war ich für sie eine ganze Enttäuschung. Wir enfremdeten uns immer mehr voneinander. Ihre Söhne zogen dann auch noch weg.Es verschlug beide nach Paris zum Studium und sie blieben dann einfach dort. Mein Onkel schaffte es nicht alle zu ersetzen, ihr Vermissen zu stillen, ihre Wut abzuschalten.

Bevor wir abgereist sind waren wir noch auf dem Friedhof an Tante's Grab. Ich habe Angst vor Friedhöfen, aber der Friedhof sah gar nicht wie ein Friedhof aus. Er sah aus wie ein riesenroßes Laken aus weißen und grauen Kies. Die Wege, die Gräber waren mit diesem in der Sonne glitzernden Kies bedeckt. Die Gräber sahen aus wie frisch gemachte Federbetten. Wie Oma's dicke Federbetten in einem kalten Winter. Aus jedem Bett blühte ein Rosenstock heraus. Aus Tante's Kiesfederbettgrab blühte ein ein Rosenstock wunderschön samtigkirschrot. Sie liebte rote Samtrosen. Diese Metamorphose - .....ich verwarf den Gedanken sehr schnell, bevor jemand meine Angst sehen konnte. Als wurde ihre Endlichkeit nur zu Bett gebracht und träumte nur in Rosenform all ihre Träume samtrot - zartwild.


Wir ließen einen traurigen Onkel, einen gebrochenen Mann in seiner Hilflosigkeit zurück. Sein Sohn wird ihm bestimmt einmal im Monat anrufen und er wird ihm fröhlich berichten wie gut es ihm noch ginge.  Ob er an Weihnachten uns besuchen will, das wird sich weisen. Es sei denn seine Freunde schaffen es ihn zu überreden. Sie mögen uns. Sie sind kein "Volk unter sich" sie sind herzlich.