Lass mich sanft werden im Herzen, lass mich besser werden......

Der Tag wird langsam müde und färbt den Himmel sonnenuntergangfarben. Ich bin ebenso müde wie der Tag und mache mich auf den Heimweg. Bevor ich das Licht in meinem Büro ausschalte, ziehe ich den Lamellenvorhang zusammen. Zuerst aber schaue ich durch die Fensterscheiben hinaus in die Weite der Stadt. Ich schaue auf die kahlen Baumkronen der Bäume in denen noch vereinzelt vertrocknete goldfarbene Blätter hängen. Wir Christbaumkugeln hängen sie da an einem vertrockneten Stiel der sich mit all seiner verbliebenen Kraft an einen verschlafenen Zweig klammert. Ich schließe für einen oder sogar mehrere Augenblicke die Augen und genieße den Anblick der sich mir hinter meinen Lidern bietet.

"Der Baum hält all seine Versprechen," denke ich. "Von der Knospe bis zum letzten leblosen Blatt, hält er Wort für Wort."

Ich hingegegen lies schon immer Menschen los. Ich ließ sie fallen. Sei es Freundschaften, sei es Lieben oder sei es die Menschen die in mein Leben getreten sind. Ich sehe mich vorwärts rennen ohne zurückzusehen, die gesagten und ungesagten Worte die zurückbleiben, Menschen die mich zuwinken, mir nachrennen bis ihnen die Liebe ausgeht, die Gedanken an mich wegbleiben. 

Mein allerbester Freund fragte mich nach einem Kuss etwas unbeholfen, weil wir beide noch sehr, sehr jung waren ob wir jetzt ein Paar wären und ich wunderte mich "sagt man das schon nach einem einzigen Kuss wie Liebende sich küssen ob man für immer zusammen bleibt? Dann schüttelte ich den Kopf und sagte: "Nein! Irgendwann kannt du mich nicht einmal mehr sehen und ich bin dann nur noch dein Blindenhund." Alles was wir hatten, alles was wir waren, alle Freundschaftssteine auf der Bank am Wegrand, allen Blödsinn den wir angestllt haben, alles Händchenhalten hatte ich ausgeblendet, vergessen, nur um mein Ego zu fröhnen, ich hätte einen Supermann verdient, den ich herzeigen konnte.

Freundinnen die ich nie mehr angerufen habe, als unsere Wege auseinander führten. Menschen die auf mich zählten und ich sie stehen ließ. Einfach so. Ich ging einfach weiter.

Ich verliebte mich auf den ersten Blick, liebte für einen Augenblick. Im nächsten Augenblick ging ich. Liebe ist das was man daraus macht. Ich machte daraus ein Nichts. 

Und aus dem Nichts heraus spielten mein Herz, meine Sinne, meine Vernunft verrückt.

Ich ließ sie spielen, hielt sie nicht auf. Hätte ich damals lieber ein Buch gelesen oder Musik gehört. Hätte ich dazu gestanden - zu mir selbst und zu ihm. Wo wäre ich heute? Und wie wäre ich heute? Wäre ich zu Hause oder hätte ich kalte Füße weil ich nicht in  meinem Bett schliefe?

Hätte ich das Wunder einer Geburt am eigenen Leib erfahren? Hätte ich geliebt wie ich heute liebe? Bedingungslos.

Lieben die ich sitzen ließ wie ein Blatt am Ast und hoffte dass der Wind sie mitnimmt wo alles so geheinmisvoll schimmert.

Nun habe ich die Melodie eines jeden in meinen Ohren, in jedem Herzwinkel, in allen Sinnen.

Ich habe keine Worte um meine Gefühle zu beschreiben, wie waghalsig, wie verletzend, wie unglauglich egoistisch ich sein konnte.

Wie verletzlich ich bin, ist jeder andere auch. Wie konnte ich das vergessen?

Ich stehe am Fenster und bete, wie ich manchmal bete: "Lass mich gut werden Gott, lass mich sanft werden im Herzen, lass mich besser werden. Lass mich zuhören, lass mich fühlen, lass mich bitte herzlaut denken."

Schlussendlich ziehe ich die Lamellen zusammen bis sie zu einem blickdichten, elfenbeinfarbenen Vorhang werden, drücke auf den Lichtschalter und schliße hinter mir die Tür. 

Das Abendrot am Himmel ist verschwunden und ich fahre nach Hause. Über mir fliegt ein Grauadler Kreise und Achter über das rauhreiffarbene Feld und meine Gedanken fliegen hinterher. Von der Feierlichkeit des Augenblicks bin ich überwältigt. 

Irgendwo

zwischen der Zeit

zwischenzeitlich

verändern sich Menschen

Lieben

Dinge

Schlagartig

mitten aus den Herzhäuten heraus

beim nächsten Mal

muss ich es besser machen

besser lieben

besser sein

und über mir 

die Unendlichkeit 

ist nachtfarben......


©Émilia






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