Der Kern

Oma's rehbraune Augen lächelten lange bevor ihr Mund lächelte und die Grübchen an ihren Wangen tänzelten abwechselnd, als sie einen Teller voll warme, nach Vanille duftende Crêpes oder Pfannkuchen vor mich auf den Küchentisch stellte. Sie wusste, dass ich ihre Crêpes abgöttisch liebte.
Sie stellte noch ein Glas mit Hagebuttenmarmelade und einem Löffelchen neben den Teller. "Ich habe beim Hagebuttenernten  meine ganzen Finger an den Rosendornen zerstochen." erzählte sie. " Habe tagelang meine schmerzenden Finger in Olivenöl mit Zitronensaft gebadet, bis sie verheikt waren."
Auch wenn sie mir nicht erzählt hätte wie mühsam das Pflücken und erst das Einkochen war, ich hätte ihre Arbeit sehr gewürdigt, aber ich stellte mir noch einmal bildlich vor, wie sie in ihrem Alter vor dem Wildrosenstock kniete und die roten süßen, duftenden Beeren pflückte.
Ich lobte ihre Marmeladenkunst, ihre göttlichen Crêpes - ein Götterschmaus für mich.

Als wir, meine Brüder und klein waren, egal wie müde Omi von der Hausarbeit, von der Feldarbeit war, bevor sie das Abendessen für die Familie zubereitete, versorgte sie uns mit leckeren Crêpes, damit wir "erstmals was im Magen haben," wie Omi zu sagen pflegte und bis das Nachtessen fertig war uns "vom Hals" hatte.

Jahre später als wir Kinder schon erwachsen waren - wenn man es so nennen darf - und sie besuchten, tischte sie uns zuerst  Crêpes auf. Oftmals pflückte ich Hagebutten und brachte ihr sie tütenweise mit. 

Heute Morgen öffnete ich ein Glas Hagebuttenmarmelade zum Frühstück und erinnerte mich augenblicklich an Omi, an ihre lächelnden rehbraunen Augen, die lange vor ihrem Mund lächelten.
"Du hast Löcher in den Wangen" sagte ich immer als Kind. Omi lachte laut und sagte: "du aber auch!"  Dann versuchte ich sie mit der Zunge wegzudrücken und sie lachte lauter. "Die kriegt man so nicht weg,"

Ab und zu backe ich auch mal  Crêpes aber die Mädels sind so kreativ mit dem Belag, da kommt Marmelade nicht an. Von Zimt und Zucker bis Quark und Frischkäse und Nüsse, Bananen alles ist drinnen. Ich esse sie sogar ohne Belag.

Omi fehlt - sie war der Kern - der die Familie zusammen hielt.  Ich weiß nicht ob ich Kern sein kann, oder ob wir kernlos trotzdem zusammenhalten.
Lars' s Mam feierte zum ersten Mal mit uns Weihnachten und sie fühlte sich angenommen, angekommen und geborgen wie sie mehrmals sagte. Omi Elke hatte ein paar leichte Beschwerden nach der 3. Impfung. Ich habe ihr ein Bett auf dem Chaiselongue in der Küche gemacht, damit sie unter uns gut aufgehoben ist.









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