Das Streben nach Perfektion I

 Ich kann es nicht. Perfektion ist ....wie soll ich es sagen?.....ist neutral...

Das ist es: NEUTRAL . Keinen Geschmack, keinen Duft, keine Farbe, keine Musik und irgendwie ....keinen Charme, geschweige denn le charme du charme. Der normale Durchschnitt. Nichts was einem verzaubert, nichts was einem inne halten lässt. Nichts was die Poesie, das besondere Lied, die Musik herauslocken kann. Weder zu klein wie ich, der zu groß, weder zu dünn, noch zu dick, weder zu hell noch zu dunkel. Das perfekte Dazwischen.Weder lebendig noch tot. Leblos.

Und ich bin gar nicht perfekt. Ich sehe mich nicht perfekt und fühle mich nicht perfekt. Und ich bin mir gar nicht sicher ob ich mit meinem Ich oder einfach nur mit meinem Charme, dem Carmen, der Musik jemanden verzaubern kann. Es gab eine Zeit da versuchte ich mich nach Perfektion zu streben, oder ein Teil Perfektion zu erlangen.

Ganz am Anfang meines Studiums. Ich hatte jede Menge medizinische Vorkenntnisse und ich war bestimmend, laut- so gut ich es konnte- ich korrigierte.....ich zeigte, dass ich es besser kann. Nun ja......kam nicht gut an, was soll ich sagen?

Ich stand eines Tages am Fenster im Dienstbesprechungsraum .......zwei schon promovierte Assistenzärzte unterhielten sich laut.....vielleicht sollte ich es hören......"der Wuschelkopf da, wie wäre es mit der?" fragte der eine und der andere lachte auf und sagte: "die sieht aus wie eine 15jährige. Meine Schwester ist 14 und hat viel mehr für die Hände. Ich will Fleisch in der Hand halten und keine Knochen." 

"Du Arschloch" denken und das nicht laut sagen zu dürfen? Sie mussten mich ausbilden, also hätte ich den Ball flach halten sollen.

"Wer bei Frau viel will hat als Mann zu wenig, Arschlöcher" sagte ich laut.

"Wie bitte? fragte einer.

"Ich habe mit der Wasserflasche geredet nicht mit euch." lächelte ich. Einer wurde rot.....

"Und kindisch ist sie auch," sagte der andere. "Dieses Jahr sind keine sexy Frischlinge dabei." 

"Nicht sexy genug für euch alte Böcke mit Mikroskoppimmel!" rief ich hinterher.

Es hat lange gedauert bis ich akzeptieren konntem dass ich weder größer noch weiblicher werde ohne Fitness, Muskelaufbau, Joggen..... Ich hatte das Gefühl, die Männer sehen an mir herunter, begutachten mich und entscheiden sich für Titten, lange Beine und Po, aber nicht für mich als Mensch, als Frau und als angehende Ärztin. Pustekuchen! Ich verausgabe mich nicht für Nichtsnutze, Idioten.....ich kann rennen....ich renne.....ich bin flink, gelenkig....habe Ausdauer aber ich brauche keine Brust wie eine Kuh, damit jemand Lust auf mich hat. Trotzdem belastete es mich. 

Perfektion ist das Gegenteil von Leben. Denn im Leben geht es um das Unerwartete, die Unbeholfenheit, den Fehler. Und zum Glück bin ich unperfekt geblieben.

Das Unperfekte treibt mich an und begeistert mich. Das packt mich. Aber niemals Perfektion...Einen perfekten Mann oder nach Perfektion strebenden Mann um mich herum würde mich schläfrig machen, inert, er würde mich weder im Herzen noch in den Gedanken fordern, we würde mich nicht seelisch herausfordern. Er würdehaben wollen, dass ich mich körperlich vielleicht an seine Wünsche anpasse. Ich wäre neben ihm irgendwann nur noch ein lebloser, gedankenloser, liebeloser Körper.

Bei Lars konnte ich von Anfang an sein wie ich bin. Chaotisch, ängstlich, ordentlich, hektisch.

Lars ist der verlässlichste Mensch den ich kenne. Bei ihm gibt es ein Nein oder ein ja und nichts dazwischen. Er mag kein Vielleicht. Anfangs machte mir das Angst. Er wusste was er wollte und er hatte seine Art alles aus mir herauszuzaubern. Der charme du charme, Carmen und Musik. Und ich bin ausgelassen, so richtig ausgelassen und albern, so richtig ernst und melancholisch. Und während ich bin wie ich bin, verliebe ich mich in ihn, als wäre er die Poesie, die Musik die mein Leben schon immer bestimmte. 

Einmal habe ich alles vermasselt, weil ich perfekt sein wollte. Pfeift der Hund aus Perfektion.

Aber bei ihm kam ich einfach zur Ruhe. Ich sah ihn an und mein rasendes Herz verlangsamte seinen Rhythmus. Ich konnte durchatmen. Ich hegte keine Fluchtgedanken, ich wollte bleiben. Genau wie er bleiben wollte.

Da der Mensch aber nicht nur aus Emotionen besteht, sondern auch aus Logik habe ich zwar einen Vorteil wenn meine Logik sich nicht mit Emotionen verbündet.

Was Organisation betrifft, habe ich einen Perfektionismus, Macke würde ich es nicht nennen, denn dafür werde ich immer gelobt. 

Blind findet man alles. Ich habe vom Küchenschrank bis in die hinterste Ecke meines Büros alles bis zur kleinsten Büroklammer nach Farben und Formen sortiert. Und wehe man hält sich nicht an meine Ordnung. Blindenordnung - man findet alles. 

Mein ganzes Leben denke ich über eine Perfektion nach die es gar nicht gibt. Es gibt Seiten oder Teile des Körpers, wie zum Beispiel den Rücken oder den Hinterkopf, oder sogar den Po, die man ohne Spiegel gar nicht sieht.

Vielleicht gibt es diese nicht zu sehenden Teile auch in seinem Ich. Man sieht weder all seine Schwächen noch all seine Stärken. Oder man will sie nicht sehen. Aus Scham oder aus Verlegenheit oder was auch immer es sein mag.

Immer wenn es um Gefühle geht fühle ich mich imperfekt. 


0 commentaires:

Enregistrer un commentaire