Arroganz und Vorurteile

Kurz vor meinem Dienstende bekamen wir einen Notfallpatienten. Ein Schüler vom Lycée.

Anhand seiner Patientendaten ist er schon 16 Jahre alt. Ich schätzte ihn auf  13 höchstens 14. Sein Klassenlehrer saß neben ihm und fiel uns immer wieder ins Wort.

"Wie kann man nur so trottelig sein und die Treppe hochfallen? Das kann nur ein Maladroit. Voilà, er kann das. Deshalb sind wir jetzt hier." keifte er. Der Junge hatte sehr starke Schmerzen und er hatte allen Mut zusammengekratzt seine Schmerzen zu unterdrücken und er musste die Schimpftiraden seines Lehrers noch zusätzlich ertragen. 

" Herr.....Danke, dass sie ihn zu uns gebracht haben. Sie können entweder draußen warten oder gehen. Die Assistentin hat die Eltern erreicht. Sie sind auf dem Weg zu uns." Am liebsten hätte ich dem Waldmenschen in den Arsch getreten.

"So jetzt ist Ruhe hier. Die denken sie wären unfehlbar." sagte ich und der Junge lächelte erleichtert.

Prompt fiel mir ein ehemaliger Kommilitone aus Deutschland ein. Der schimpfte über die Lehrerschaft as  "grüne Ökotanten und Ökofritzen mit dreckigen Füßen vom morgendlichen Waldspaziergang und Jesuslatschen und Stroh im Kopf."

Die Handwurzelknochen beider Hände angebrochen. Unterschiedliche Stellen im Carpi. Er muss operiert werden.

Ich wollte die Stimmung etwas lockern und sagte. "Jetzt bist du von den schriftlichen Hausaufgaben befreit."

Der Junge erklärte, dass er öfters hinfalle, weil sein Bein einschläft und dass er Skoliose hätte. 28% und er war bei verschiedenen Orthopäden und bekäme nur Gymnastik und Spritzen verordnet. Über eine OP wurde nachgedacht, aber man wollte noch abwarten, weil er noch im Wachstun ist.

Die Eltern trafen ein und wir bereiteten ihn für die OP vor.

"Ich soll jetzt meine Freizeit opfern und einen Tolpatsch operieren der es schafft die Treppe hochzufallen?" fragte er genervt.

"Ja, du bist auf Handchirurgie spezialisiert. ich assistiere dir. Dieser Junge hat Skoliose, also ist er nicht tolpatschig. Äußere dich nie abwertend über Patienten."

"Du übernimmst, ich assistiere, damit du beim nächsten Mal das allein machst." wollte er bestimmen.

"Nur kurz auf ein Wort, Meister Handchirurg. Das erste Mal seit 17 Monaten solltest du einspringen. Du bekommst diese 2 - 3 h bezahlt die du länger hier stehst plus 25% Zuschlag von mir. Und ich bestimme hier wer was macht." Ich musste mich zusammenreißen, denn ich kann durch die Decke gehen vor Wut. "Ich kann Lars an seinem freien Tag anrufen, er ist genau so auf Handchirurgie spezialisiert wie du." 

"Ja, tun sie das!" sagte er lässig.

"Willst du gleich aufhören oder möchtest du eine dreimonatige Frist, damit du Zeit hast was zu bekommen, ohne Zusatzschichten und auch ohne Zuschläge."  Ich kochte vor Wut. "Rufen sie meinen Mann an, bitte!" sagte ich zur OP Schwester.

Er nahm seine Sachen und ging. Wenn Freizeit wichtig ist. Lieber habe ich keine, als mich damit herumzuärgern.

Als Lars eintraf, legten wir los. Er assistierte mir und ich fixierte und nähte und die OP-Schwester half mir mit der Schiene. ich bin "nur "Allgemeinchirurgin und habe mich auf Gefäßchirurgie spezialisiert. Aber ich werde mich weiter fortbilden. Ich möchte alles können, damit ich auf niemanden angewiesen sein muss.

Um die Skoliose kümmerten wir uns nicht. Dafür muss er ins Krankenhaus und es ist eine langwierige Phase für den Jungen.

Die Eltern waren so nett. Sie haben sogar angerufen und uns mitgeteilt, dass er keine großen Schmerzen hat. Er wird in guten Händen sein. Morgen kommt er zur Post-OP- Kontrolle. Ich kann es kaum abzuwarten das Ergebnis zu sehen. Und ihn natürlich, weil er soooo unheimlich tapfer lächelte und seine Eltern so einen wundervollen Menschen aus ihm machen.

Und als wir endlich zur Ruhe hätten kommen können, explodierte ich innerlich immer noch wie ein Feuerwerk vor Wut.







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