Kaffeetorte und Ameisensäure.

Um zur Schule zu kommen, mussten mein Zwillingsbruder und ich eine Straße überqueren fünf Haltestellen mit dem Schulbus  fahren, noch eine Straße überqueren, durch zwei enge verwinkelte Gassen gehen.

Die ersten Tage nahm uns meine Maman uns bei der Hand, wir lernten nach links und rechts zu schauen, auf Autos, Menschen und Stufen zu achten, pünktlich zum Unterricht zu kommen, aufmerksam dem Unterricht zu folgen, gute Noten zu bekommen und auf dem selben Weg nach Hause zurückzukehren. Auf Autos, auf Menschen, auf Hunde zu achten, Hausaufgaben zu machen.

Danach mussten wir uns allein auf den weg und zurück machen. mein Bruder gingen immer Hand in Hand, damit wir uns nicht  gegenseitig verlieren und damit wir uns nicht verlaufen. Als ob man sich händchenhaltend nicht verlaufen könnte.....Allemal haben wir uns nie verirrt. 

Wir liefen durch enge Gassen. Wir kannten alle Geschäfte auswendig, oder wie man sagt, wir kannten alle Steine auswendig.

Eine Papeterie, ein Lebensmittelladen, ein Obst- und Gemüseladen, eine Bäckerei und ein Laden mit Nähmaschinen, Wolle und Handarbeitsartikel. Manchmal addierten wir unser Taschengeld zusammen und kauften uns mal ein Buch, ein Stift, oder sonstigen Kram. Oftmals duftete es so gut nach ofenfrischem Gebäck und wir kauften uns ein warmes Paté.

Ich kaufte mir immer kleine Baguette oder Bäckerhörnchen. 

"Wieso nimmst du nichts mit Füllung?" fragte die Frau vom Bäcker.

"Mag ich nicht, sonst kann ich nichts mehr zu Mittag essen," antwortete ich höflich.

Eines Tages entdeckte Fabian die Kaffeetorte.

"Ein Stück davon, bitte!" zeigte Fabian auf die wunderschön mit Schokoladengitter und echten schokolierten Kaffeebohnen garnierte milchkaffeefarbene Torte.

"Das ist nichts für Kinder," klärte uns die Bäckersfrau auf. "So viel Kaffee ist auch nicht drinnen. Nur bisschen Nesskaffee."

"Ich trinke zu Hause schon Café au lait!" sagte Fabian stolz.

Er bekam das gewünschte Stück Kaffeetorte.

"Du auch ein Stück?" fragte die Bäckerin.

Ich nickte.

Wir verließen die Bäckerei und Fabian biss sofort in die Torte.

"Sooooo gut!" sagte er mit vollem Tortenmund und verschlang stückweise davon.

Ich biss in die Torte und nach ein paar Bissen war ich satt. Mein Magen fühlte sich an als hätte ich ihn mit Kaugummi verklebt. Zugekleistert.

"Ich kann nichts mehr essen. Schmeckt viel zu süss und bitter." jammerte ich.

Fabian freute sich auf die restliche Torte wie ein Floh im Stroh.

Wir setzten uns in den Schulbus. Ganz vorne in der Nähe des Busfahrers fanden wir noch zwei Plätze. Der Bus holperte über die Straße. Jedes Bremsen jede Beschleunigung, jedes Abbiegen fühlte ich in der Magengegend. "Noch eine Haltestelle," dachte ich, "dann kann ich endlich aussteigen."  Ich brauchte frische Luft. Der Kinderlärm im Bus wurde unerträglich. Und urplötzlich landete die zerkaute Torte aus dem Magen über mein Taschentuch, meine Hände auf meine Schuluniform, auf den Boden, auf meine Schuhe, auf Fabians Schuhe.

Er hüpfte vom Stuhl.

"Hinsetzen!" rief der Fahrer streng.

Obwohl wir eh austeigen mussten, packte mich der Fahrer im Genick und setzte mich wieder ab. ich heulte und übergab mich weiter. Fabian biss den Fahrer in die Hand. Der fluchte nicht gerade kinderfreundlich.

Zu Hause angekommen, stellte mich Oma in die Badewanne, zog meine Kleidung aus, badete mich und gab mir Natron mit Mineralwasser zu trinken.

"Das schmeckt scheußlich, aber nicht so scheusslich wie Kaffee. da ist Ameisenscheiße drinnen, aber der Dreck wird gerne gefressen und gesoffen." brummelte Omi vor sich hin.

Frisch und ganz lethargisch schlüpfte ich aus dem Bad. Maman war nicht begeistert von uns. Der Busfahrer hat sich auch bei ihr entschuldigt, aber wir Kinder meideten ihn aus Angst und weil er kein guter Fahrer war.

"Es war nicht der Kaffee, es war die Buttercrème und die Sahne darin." sagte Maman. "Du verträgst keine Torten. Kaufe dir lieber Stifte und Gobelin." 

"Der mit dem Schwan ist teuer!" stellte ich fest. 

"Du bekommst ihn, aber nächsten Monat gibt es kein Taschengeld."

Ich war einverstanden. Opa bastelte mir einen Rahmen dafür.

"Kuchen und Torten backe ich für euch." ermahnte uns Oma. "Und wehe ihr stopfte euch auf dem Nachhauseweg voll mit so einem Mist."







J

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