Tränenflüsse und Tränenmeer

Wer mag schon Karstflüsse? Irgendwann verschwinden sie. Man könnte auch Lieben die plötzlich versickern und enden Karstliebe nennen. 

"Du musst doch endlich mal erwachsen werden!" schimpfte Oma als ich ihr von meiner Trennung und von meiner Scheidungsabsicht erzählte. "Du bist eine Rebellin! Wird es dir langweilig, lässt du es liegen. Du warst schon als Kind immer schnell gelangweilt. Kann es sein, dass du dich wieder mal gelangweilt hast. Hast du dich zurückgezogen? Ich habe dir gesagt, der junge Mann ist nicht das was du dir unter einem Mann vorstellst." schrie sie. 

"Was stelle ich mir denn für einen Mann vor?  Bestimmt nicht einer der zu blöd ist, um einen Kaffee zu kochen, aber die Weiber wie Motten anzieht" schrie ich zurück.

Oma hob den Kochlöffel und winkte damit. "Wehe du schreist mich noch einmal an!" sagte sie leise.

Dann fielen wie uns in die Arme und weinten uns gegenseitig leer. Wie Flüsse sich leerweinen, wenn sie ins Meer übergehen, wie die  la Loue in die la Doubs, dann in die Saône und in den le Rhône und in das la mer méditerranée übergeht. Für mich war Oma la mer méditerranée.

"Du bleibst bei mir" flehte sie mich an. "Ich muss jetzt auf dich aufpassen." weinte sie weiter.

"Omi ich muss aber Fabián helfen," versuchte ich ihr zu erklären wieso ich wieder gehen muss.

"Nein! Nein! Nein!" rief sie enttäuscht. "Der hat nicht auf uns gehört. Er hat deine Maman schwer enttäuscht. Sie war bis zuletzt wegen ihm traurig. Dich nimmt er mir nicht!" weinte sie weiter.  Aber wohin weinte sich Oma? Sie hatte keinen Ozean, sie hatte keine Atlantique.

Ich wusste, dass sie mich verstehen konnte. Sie kannte unser Zusammenhalt bis fast zur Selbstaufgabe.

"Dann überrede ihn auch nach Hause zu kommen. Er hat doch uns hier."

Oma verpachtete die Praxis an einen ehemaligen Kollegen von Maman. Es war eine Zwischenlösung. Doch dann erkrankte er und musste aufgeben.

Und Omi war später auch nicht mehr da. 

Und ich war ein Karstfluss, in der Liebe. Ich liebte vorübergehend.

Ist es das was die Trauer, das Vermissen, das Nichtweiterwissen aus einem macht? Man ist tagtäglich nur vorübergehend, man liebt nur vorübergehend?

Nichtwissend wohin man fließen soll, verschwindet man, versickert man. Man will unsichtbar bleiben in der Liebe und ebenso unsichtbar im Leben? Ist es wirklich das was man will?  Ja nein, ich bin nicht eine Frau die wachgeküsst werden will, - ich küsse wach. Ich wollte nie den Prinzen, sondern den Freund. Den der sich nicht scheut mit mir Schritt zu halten und der, den es nichts ausmacht mit mir albern zu sein. Kindisch. Teufelisch. 

Ja nein, das Leben forderte mich heraus. Ich konnte nicht vor mich hin irgendwohin sickern, ich musste fließen, ich musste Fluss werden und Meer werden.

Hatte Maman unbewusst, Marie als meinen ersten Vornamen gesetzt, damit ich weiß dass ich ein Meer werden muss für Zuflüsse die mir am Herzen liegen? 

Mein Vater war ein Pragmatiker und er redete wie er dachte, und er dachte wie er fühlte, ungefiltert. Meine Patentannte hieß Emma und er meinte, dass Emma ein Name für eine Kuh sei. Also nannte er mich Émilia. In  französischer Sprache wird mein Vorname ´´Emilie geschrieben und wird Émiii ausgesprochen. Er bestand auf das a. Es war ja kompromissbereit, wie er immer scherzte.  "Das a am Ende bleibt! Aus die Maus!" 


Puisque tout passe
faisons la mélodie passagère,
celle qui nous désaltère aura de nous raison.
Chantons ce qui nous quitte avec amour et art,
soyons plus vite que le rapide départ.

 


 


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