November

Allerheiligen und die Agonie.

Frühnebel und Nieselregen. Beweglicher Feiertag. Totenmonat. Endlichkeit des Lebens. 

An diesem Tag könnte ich mich verkriechen, bevor Tränen mich auflösen könnten.

Man zieht schwarze Trauerkleidung an und geht in die Kirche zum Requiem für alle Seelen. Wieso ist Trauerkleidung schwarz? In einem kirschroten, sonnenblumengelben oder himmelblauen Kleid kann man mit dem Herzen ebenso trauern oder traurig sein. Wieso tragen Frauen ein Kleid und keinen Hosenanzug? Trauer sollte keinen Trauercodex haben.

Ich finde Nylontrümpfe unausstehlich. Und schwarze erst recht. Und jedes Mal schaffe ich es an einem Rosenstock hängen zu bleiben und eine schöne Laufmasche in den Strumpf zu häkeln.

Ich mag nicht in die Kirche gehen....ist so monoton, so gelangeilt. Das Requiem war irgendwie .....ja distanziert....fad.....es hatte keine Seele....oder der Pfarrer war noch im Mittagschlafmodus.... 

Ich habe die ganze Zeit gefroren....nicht wegen dem Nieselregen..... jedes Jahr ist es so und ich bin danach immer erkältet.....Lars auf einer Seite, René auf der anderen...sie hielten mich fest als die Tränen mich wegschwemmen wollten. Ich wollte mich hinsetzen auf den kalten Boden, wie ein Kleinkind sich hinsetzt, mit angezogenen Knien und den Kopf verstecken.... aber ich bin kein Kind mehr....und es wird mir an solchen Tagen so bewusst. Ich bin keine Tochter, keine Enkelin mehr. Ich bin auch zum Teil keine Schhwester mehr und auch zum Teil keine Nichte. 

Asche zu Asche. Wo Augenblicke davor noch das Gras kniehoch war, geht die Erde auf(wird die Erde aufgebuddelt) und Leben fällt wie ein Herbstblatt nach dem Lebenstanz in ein Loch und ist unwiederbringlich weg. Festhalten was weg ist ......auch wenn die Wurzel noch tief im Herzen verankert ist.......das Lebendige, die Seele ist weg.

Angeblich sollte diese Unsterblichkeit, diese Ewigkeit nur Trost sein.

Ich brauche diesen Trost nicht, denn ich weiß.....ich weiß es sehr genau wie ein Herz aufhört zu schlagen, wie die Haut eiskalt wird....ich weiß......weil ich es mit allen Fasern des Herzens und mit allem angesammelten Wissen gelernt habe......die Endlichkeit gesehen und gefühlt habe.

Das unberührte animalische, die Wildheit in mir fühlt noch jede Berührung, erinnert sich an den Duft der Haut, der Haare, hört noch viele Worte die wichtig wurden und immer noch wichtig sind, hört noch das Lachen, hört noch die Stimme in den Worten.....

Aber ja, die Kerze in meiner Hand.......das Zittern der Flamme, wenn mein Atem oder der Wind ihr zu nahe kommt.......das ist es nicht.......es gibt kein Leben hier in einem Grabvulkan mit weißen Astern bestickt. 

Gebet

Lehre mich die Unachtsamkeit
und wie man blind und taub durch den November wandert,
wie man einem Traum die Flügel bricht
dass er ungeträumt ins Abis fällt.
Wie ich in mir das Sonnenlicht 
nach dem Regen bewundern kann,
ohne den Himmel
für die Regenwolken zu beschuldigen.
Wie ich die Bäume bitten kann
ihre Blätter immergrün zu färben,
damit sie nicht im November
purpurfarben sterben.

Lerne mich weniger zu lieben,
im Morgengrauen nur 
oder nur am späten Abend,
damit kein Augenblick mehr schmerzt
wenn die Lieben gehen.
Lehre mich die Gleichgültigkeit,
nur für einen Augenblick,
wenn die Sehnsucht mich erdrückt.

Lehre mich für den Augenblick zu leben.


©Émilia




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