Brennende (Un) Geduld


Geduld ist bei mir weder Stärke noch Schwäche. Es ist ein Amalgam aus Rationalität und Emotion. Eine Herzlogik. Manchmal bin ich sehr geduldig, als hätte ich alle Zeit der Welt für mich und ein weiteres Mal bin ich so ungeduldig, als gäbe es ab dem nächsten Augenblick keine Zeit mehr für mich.

Antonio Skármeta sprach in seinem Roman mit dem gleichnahmigen Titel "Mit brennender Geduld" über Liebe, Lebenswege über brennende Geduld.
Brennende Geduld - eine Metapher die mich fasziniert. Ich definiere sie als Sehnsucht, eine Herzunruhe bei der man nicht still sitzen kann und warten. Eine Sehnsucht die schmerzt. Manchmal kann ich etwas nicht hinnehmen so wie es ist, so wie es sich mir zeigt. Ich muss etwas tun, ich muss es verändern. Ich kann nicht still sitzen und es hinnehmen. Ich will in Bewegung bleiben.
Ich möchte nicht darüber sinnieren ob es gut oder weniger gut ist. Manchmal ist es nicht gut ungeduldig zu sein und mit den Hörnen Wände einreißen, aber es ist manchmal auch nicht gut, seiner Sehnsucht nicht zu folgen und das Schicksal zu akzeptieren.

Am Freitag ließ sich Tante impfen. Tante ist eine kerngesunde über 72jährige Frau. Sie hat sich vor einiger Zeit von der Welt emotional abgeschottet. Wir hatten alle Angst um sie und standen ihr so gut wir nur konnten zur Seite. Und wenn Tante, sich nicht durchs Leben boxt, wer dann.
Am Abend klagte sie über Schmerzen im Arm. 
Ich bat sie zu bleiben und im Gästezimmer zu schlafen, damit ich oft nach ihr sehen kann.
Gegen 23:00 Uhr saß Tante in der Küche, heiße Honigmilch und aß Kekse.
"Ich wollte etwas Süßes," lächelte sie etwas verlegen.
Ich machte mir einen Pfefferminztee mit Zitrone und setzte mich zu ihr.
Ihr ging es gut.
Und plötzlich erzählte sie mir aus ihrer Kindheit.
"Weißt du, als ich so fünf oder sechs Jahre alt war, gab es eine große Diphteriewelle und zwei Mädchen aus meiner Kindergartengruppe starben daran. Was für eine Tragödie für die Eltern. Ich sehe ihre Mama's heute noch herzzereißend weinen. Jahre später begann man mit den Impfungen dagegen. Da kam der Impfbus in die Schule und wir wurden gepiekst und anschließend bekamen wir ein paar Tropfen auf einen Würfelzucker und der wurde uns in dem Mund gestopft, wenn wir ihn nicht freiwillig wollten. Ich lebe noch. Weißt du ich will mein Leben noch genießen. Was der Scheiß auch ist, ich lass mich dagegen impfen. Sag jetzt nichts."
Ich saß da und bewunderte ihre Sehnsucht zur Veränderung.
"Und geht es dir wirklich gut?" fragte ich.
"Und ob! Sag mal Schätzchen, wie findest du Monsieur Valère?" fragte sie ungeduldig
"Nett." sagte ich und mir fiel ein wie er mich vor ein paar Wochen sehr nett grüßte und mich in einen kleines Gespräch verwickelte. "Ah!" dachte ich.
"Der ist erst 62 und steht auf mich." schwärmte Tante.
Ich war sprachlos. Dann fragte ich "bist du nicht zu alt für den?"
"Du bist bösartig!" zischte Tante. "Ich erzähle dir nichts mehr."
"Ich habe doch nur gefragt. Eigentlich ist es dein Leben. Aber ja, wenn ihr beide es ernst meint, dann ist er hier willkommen." sagte ich.
"Du entschuldigst die nie!"
"Wozu? Was weg ist ist weg. Tante du musst mich nicht fragen was zu tun sollst, oder ob es den Leuten passt, dass du so lebst wie du willst. Stürze dich ins Abenteuer. Los!"
Tante sprang vom Stuhl und knutschte mich ab. Sie drückte mich ganz fest. Und ich freue mich für sie, für ihre brennende Ungeduld.
"Weißt du, als ich mit meiner Mutter, deiner Oma und mit meiner Schwester bei Opa ankamen, machte der große Augen. Und ich weiß bis heute nicht, ob dein Opa ohne uns hier ein neues Leben beginnen wollte, ob er jemals nach dem Krieg zu uns zurück gekehrt wäre. Aber er lebte nicht, er überlebte Tag für Tag. Deine Oma bestimmte und er fügte sich. Deine Maman war sein Sonnenschein und wir nur seine Töchter. Und ich habe mich jahrelang von einem Mann unterbuttern lassen, weil ich verrückt nach ihm war. Aber jetzt Schätzchen bin ich nicht verliebt. Ich liebe ihn."
"Und er?" dachte ich laut.
"Er ist seit über einem halben Jahr hinter mir her." schwärmte sie." Er hat nur wenige graue Haare. Mir mir kriegt er aber weitere. lachte sie.

Diese brennende Geduld, diese Sehnsucht.......sie fühlt sich schmerzhaft an und beflügelt zugleich. 
Manchmal ist die Melancholie wie eine dunkelgraue Regenwolke, die sich vor sie Sonne schiebt.
Hinter der Wolke scheint die Sonne weiter.

Ich erinnere mich an meine Phasen wo ich mich verliebte und entliebte und erneut verliebte und liebte....
Das Eigentliche - ein Synonym für die sehnsuchtsvolle brennende Geduld.
 







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